Mainz - Die Fernsehzuschauer wenden sich nach den
Terroranschlägen vom 11. September in den USA mehr und mehr von
Gewaltbildern ab. Diese Bilanz zogen Medienvertreter am Dienstag bei
den 35. Mainzer Tagen der Fernsehkritik während einer Diskussion über
"Bilder der Gewalt - Gewalt der Bilder". Der stellvertretende ZDF-
Programmdirektor Hans Janke hat bei seinen Zuschauern ein "exzessives
Bedürfnis nach weichen, warmen, angenehmen Dingen im Programm"
festgestellt.
Das Publikum wolle im Moment "nicht mit Unangenehmem,
Beunruhigendem behelligt werden", sagte Janke. Auch eine neue Studie
der Saarbrücker Universität zeige, dass man mit Schockbildern nicht
jüngere Zuschauer gewinnen könne, sondern diese sich vielmehr mit
Abscheu abwendeten.
"In der Redaktion heißt es nicht: Prima,
whow, damit ziehen wir die Zuschauer 'ran"
Der für seinen Einsatz am 11. September gelobte
RTL-Nachrichtenmoderator Peter Kloeppel bescheinigte seinem Sender
bei den Nachrichten ebenfalls eine Abkehr von Gewalt-, Blut- und
Kriegsbildern. Derartige Bilder trieben nicht die Einschaltquoten in
die Höhe, sondern stießen bei den Menschen im Gegenteil auf sinkende
Akzeptanz, sagte Kloeppel. Das bedeute jedoch nicht, dass etwa über
Kriege nicht mehr berichtet werde. Aber das Bildmaterial werde
sorgfältiger ausgewählt. "In der Redaktion heißt es nicht: Prima,
whow, damit ziehen wir die Zuschauer 'ran. Sondern wir prüfen
genauer, ob wir Gewaltdarstellungen, wie sie täglich in Fülle von
Fernsehagenturen angeboten werden, wirklich zeigen müssen."
Der Filmkritiker der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", Michael
Althen, glaubte dagegen, bei den Nachrichtensendungen im Fernsehen
gebe es einen "zunehmenden Druck, aufs Blut zu gehen". Dem
widersprach der Fernseh-Chefredakteur des Westdeutschen Rundfunks
(WDR), Jörg Schönenborn. In begründeten Einzelfällen müssten Bilder
wie die einer unter Beschuss stehenden Festung mit verwundeten
Kämpfern in Afghanistan sein. Sonst handele man sich den Vorwurf ein,
vom Krieg lediglich "grüne Bilder" nächtlicher Bombardements zu
zeigen.
Krieg im abgehobenen Raum
Kloeppel zufolge findet Krieg "für viele Menschen in einem
abgehobenen Raum statt, weil oft Bilder nicht zu kriegen sind".
Deshalb müssten Kriegsbilder auch gezeigt werden. Er räumte jedoch
ein, dass die Grenze des dem Zuschauer Zumutbaren "immer wieder
überschritten wird". Für Schönenborn ist es eine "Illusion" zu
glauben, mit relativ wenigen Korrespondenten könne man ein
umfassendes Bild von Kriegen wie dem in Afghanistan vermitteln. Die
Arbeit der ARD-Reporter könne daher nicht mehr sein als der "Versuch
einer punktuellen Annäherung". (APA/dpa)