Kosovo
Kreuzverhör des ersten Zeugen der Anklage
Ex-Kommunistenführer des Kosovo soll Milosevic wiederholt auf Polizeiterror aufmerksam gemacht haben
Belgrad/Den Haag - Der frühere jugoslawische Präsident
Slobodan Milosevic hat gutes Gedächtnis und großes
Konzentrationsvermögen im Versuch an den Tag gelegt, den ersten
Zeugen der Anklage des UNO-Kriegsverbrechertribunals in seinem
Kreuzverhör als unglaubwürdig bloßzustellen. "So viele Unwahrheiten
erfordern viele Fragen", meinte Milosevic nach einer
eineinhalbstündigen Einvernahme des früheren Kommunistenführers im
Kosovo, Mahmut Bakalli. Bakalli hatte am Montag vor dem Tribunal seine Begegnungen mit
Milosevic beschrieben, in welchen er wiederholt auf den Polizeiterror
im Kosovo, aber auch auf die Tatsache hingewiesen habe, dass sich in
serbischen Gefängnissen politische Häftlinge aus dem Kosovo befinden.
Mit gewohnter Arroganz und demonstrierter Überlegenheit versuchte
Milosevic vor allem die Gedächtnislücken des Zeugen zu nutzen. Dazu
sollte auch die Angabe Bakallis dienen, dass es zur Abänderung der
Kosovo-Autonomie und somit ihrer Aufhebung nach einer berühmten Rede
Milosevics in Gazimestan bei Pristina anlässlich des 600 Jahresetages
der Amselfeldschlacht am 28. Juni 1989 gekommen war. Tatsächlich war
aber die Verfassung drei Monate zuvor, am 28. März, novelliert
worden.
Worauf sich Bakalli in seiner Aussage aber wohl bezogen hatte, war
der formelle Beschluss des serbisch-dominierten Kosovo-Parlamentes
über die Aufhebung der Autonomie ein Jahr später, am 7. Juli 1990.
Für zusätzlichen Druck auf die Abgeordneten sorgten damals nämlich
auch die serbische Polizei und das Militär. Drei Monate später hatten
albanische Parlamentarier bei einem Treffen im Kosovo-Dorf Kacanik
ihre "Unabhängige Republik Kosovo" verkündet.
Milosevic versuchte auch andere Angaben Bakallis als unzutreffend
darzustellen. So sollte die jugoslawisch-serbische
Regierungsdelegation im Jahre 1998 elfmal Pristina besucht haben, um
mit lokalen Albaner-Führern über die Lösung der Kosovo-Frage zu
verhandeln. Diese waren allerdings nur zu einem ersten Treffen
erschienen, von welchem auch Bakalli berichtet hatte.
Milosevic nutzte die Gelegenheit auch dafür, den Führer der
drittgrössten albanischen politischen Partei, der Allianz für das
Kosovo, Ramush Haradinaj, als "Mafiaboss" in der Kosovo-Stadt
Djakovica und "Organisator der vorjährigen bewaffneten Aufstände der
Albaner in Mazedonien und Südserbien" zu bezeichnen. Bakalli, der
sich vor dem Tribunal als unabhängiger Intellektueller aus dem Kosovo
vorgestellt hatte, ist nämlich Allianz-Abgeordneter im
Kosovo-Parlament. (APA)