STANDARD-Korrespondentin Thesy Kness-Bastaroli
Turin - Zu einem Handels-bzw. Luftkrieg zwischen Russland und der EU könnte es kommen, sollte Brüssel seine Drohung wahr machen und den Tupolev-Fliegern den EU-Luftraum verbieten. Der ehemalige Vizepremier Anatoli Tschubais nahm sich anlässlich des vom Fiat-Konzern in Turin organisierten russisch-europäischen Roundtable-Gesprächs kein Blatt vor dem Mund: Russland sei gewillt, die Verbindungen zur EU zu stärken, Moskau überlege sich ernsthaft einen EU-Beitritt. Falls die EU aber Maßnahmen gegen russischen Flieger ergreife, würden sich die Fronten verhärten. Tschubais bestätigte dem STANDARD, "die europafreundliche Politik von Ministerpräsident Putin ist seit langem gereift und auf tiefverwurzelte nationale Interessen und nicht nur auf eine persönliche Politik des Präsidenten zurückzuführen". Tatsache ist, dass die Tupolev-Flugzeuge nicht den EU-Lärmnormen entsprechen. Nun droht Brüssel, ab 1. April den Luftraum für die russischen Flieger zu schließen. "Im Fall eines Flugstopps ist es möglich, dass wir statt den Rolls-Royce-Motoren und Airbus-Flugzeugen, Pratt-&-Wittney-Motoren bzw. Boeing-Maschinen bestellen. Das Verbot wird nicht nur für die Flugindustrie, sondern auch für den europäischen Tourismus unmittelbare Konsequenzen haben. Langfristig könnte dies auch den bilateralen Handel stark bremsen", ließ Tschubais wissen. Der ehemalige Vizepremier hat nach wie vor großen Einfluss in der Politik Moskaus. Nicht umsonst begrüßte ihn der Moderator der Round- table-Runde offiziell als "Vertreter der Petersburger Mafia". An dem Roundtable-Gespräch nahmen auch der EU-Industrie- und Informationskommissar Erkki Liikanen, der französische und italienische Industrieminister sowie Vladimir Mau als Sprecher der russischen Regierung teil. Mau bestätigte das Interesse Russlands an der WTO und auch an der EU. Zahlreiche Voraussetzungen für den EU-Beitritt, wie etwa Reformen (er verwies auf die Steuerreform) oder ein Budgetüberschuss, seien bereits erreicht. 70 Prozent der russischen Industrie wurden bereits privatisiert. Insgesamt diskutierten 300 EU-Unternehmer, darunter auch mehrere österreichische Teilnehmer, über die Möglichkeiten, den Handelsaustausch zu festigen. "Wenig Konkretes, aber günstige Möglichkeiten für Kontaktanbahnung", kommentierte der Vertreter eines österreichischen Papierhandelskonzerns die Tagung. (DER STANDARD, Print, 18.02.2002)