Wien – Eine "neue Dimension" will der Wiener Physiker Anton Zeilinger für seine Teleportations-Experimente mit Lichtteilchen eröffnen. In Zusammenarbeit mit der Firma Wien Kanal Abwassertechnologien GesmbH & Co KG werden dazu Glasfaser-Kabel in dem Kanal verlegt, der die Abwässer der Bezirke östlich der Donau unter dem Fluss zur Hauptkläranlage leitet. Eine Experimentieranlage wird dazu am Handelskai und eine zweite jenseits auf der Donauinsel eingerichtet. Über seine weltweit beachteten Experimente mit Photonen, deren exakter Zustand ohne Zeitverzögerung übermittelt – also teleportiert oder "gebeamt" – werden kann, berichtete Zeilinger Donnerstag und Freitag im Rahmen der Siemens-Academy of Life in der Bundeshauptstadt.

Verschränkte Photonen

Zeilinger, Leiter des Instituts für Experimentalphysik der Universität Wien, arbeitet seit Jahren mit so genannten verschränkten Photonen. Diese besitzen eine "spukhafte Fernwirkung" (Zitat Albert Einstein, Anm.), ein quantenmechanischer Effekt, der mit nichts in der Makrowelt vergleichbar ist. Für die Experimente werden die verschränkten Teilchen mittels Laser und Prismen erzeugt.

Schickt man die beiden Photonen durch Leitungen in verschiedene Richtungen, so bleiben sie dennoch mit einander verbunden – theoretisch sogar über eine beliebige Distanz. Bestimmt man an einem Ort die Polarisierung – die Schwingungsebene – des Photons, so kann man sicher sein, dass das verschränkte Gegenstück irgendwo in der Ferne die gleiche Polarisierung besitzt. Dazu kommt, dass die Polarisierung beider Photonen erst mit dem Zeitpunkt der Messung festgelegt wird. Vorher ist sie nicht nur dem Experimentator unbekannt, sie ist – versichern die Quantentheoretiker – nicht vorhanden.

Der Unschärferelation ein Schnippchen geschlagen

Damit können die Physiker etwa das Dilemma umgehen, dass Ort und genauer Zustand eines Teilchens nach der so genannten Unschärferelation nicht gleichzeitig bestimmt werden können. Durch die Bestimmung des einen verschränkten Teilchens kennen die Wissenschafter nun den Zustand des anderen Teilchens an einem anderen Ort, ohne diesen durch eine Messung feststellen zu müssen. Und das passiert noch dazu gleichzeitig, das heißt ein Experimentator an Punkt A weiß sofort, welche Qualität ein Teilchen an Punkt B hat. Eine herkömmliche Informationsübertragung würde wenigstens so lange dauern, wie das Trägermedium der Information – etwa ein Lichtstrahl – von A nach B gelangt.

Anfangs wurden die Experimente auf kurze Entfernungen durchgeführt. Mit der Leitung unter der Donau will Zeilinger jetzt unter anderem zeigen, dass es sich bei der Verschränkung tatsächlich um eine Fernwirkung handelt. Der Kanal wurde deshalb gewählt, weil dazu keine neuen Erdarbeiten nötig sind. Und: "Im Kanal gibt es kaum Temperaturschwankungen, das ist ebenfalls von Vorteil", berichtete Zeilinger.

Quantenkryptographie

Neben der reinen Grundlagenforschung hat der Physiker aber auch schon eine praktische Einsatzmöglichkeit für seine verschränkten Photonen, nämlich in der so genannten Quantenkryptographie. Dabei geht es in Zusammenarbeit mit Seibersdorf Research darum, eine unknackbare Verschlüsselungstechnik für Informationsübertragung zu entwickeln.

Eine binäre Verschlüsselungssequenz kann nämlich auch mit einer Serie von verschränkten Photonen aufgebaut werden. Wieder sitzt ein Experimentator auf Punkt A, jeweils von einem Teilchen der verschränkten Paare bestimmt er etwa die Ausrichtung der Polarisation. So erhält er als Code z.B. "senkrecht-senkrecht-waagrecht" etc. Jedes Mal, wenn er die Polarisation eines Teilchens bestimmt, erhält auch das nach Punkt B geschickte Teilchen diese Qualität. Der Empfänger kann die gleiche Sequenz lesen und einen Text oder was auch immer entschlüsseln. Ein Anzapfen der Information durch einen unerwünschten Lauscher ist nicht möglich, da jedes "Zuschauen" die Qualität vorzeitig festlegen würden, die Sache funktioniert ja auch von B nach A. Zeilinger schätzt, dass diese Methode "in vier bis fünf Jahren" als Prototyp funktionieren könnte. (APA)