...auf die Endverbraucher will der Funke allerdings noch nicht so recht überspringen. Seit die Europäische Union den Strom als ein Element der freien Marktwirtschaft erkannt und den Strommarkt liberalisiert, also von den Fesseln der Verstaatlichungen befreit hat, ist der Strom plötzlich zu einem Produkt auf dem Spielfeld der verschiedensten Wirtschaftskräfte geworden. Die Spielregeln besagen: Produkte müssen benannt, positioniert und schließlich auch verkauft werden. Das gilt für Windeln und Eckerlkäse, für Stereoanlagen und Automarken und fürderhin also auch für das nicht wirklich definierbare Zeug, das aus den Steckdosen kommt und die Welt von heute zum Laufen bringt. Als eine Art Trainer für dieses Wirtschaftsmatch hält im Allgemeinen die Werbeindustrie her, sie ist dazu da, den Produkten quasi die Wadeln für den Wettlauf mit der Konkurrenz zu straffen und die Performance zu verbessern. Und so wie Strom nur dann fließen kann, wenn eine ordentliche Spannung zwischen zwei Polen aufgebaut wird, versucht seit kurzem auch die Werbung in Sachen Strommarketing ein Spannungsbild der Euphorie zwischen potenziellen Stromkunden und den Stromverkäufern zu inszenieren. Doch wo ist in dieser Schlacht das eigentliche Produkt geblieben? Wie soll etwas vermarktet werden, das man weder sehen noch riechen kann - und schon gar nicht angreifen soll? Trotzdem: Die werbetechnische Marktlücke ward mit der Liberalisierung im Jahr 1999 aufgetan, um die Befüllung ritterten Dutzende große und kleine Agenturen, und über kurz oder lang warfen sich die Werbetrainer mächtig ins Zeug, um den Bürgern die verschiedensten Stromanbieter samt ihren raffiniert geschnürten Produktangeboten schmackhaft zu machen. Ein paar Kurzschlüsse waren dabei natürlich vorprogrammiert - die Stromlieferantenwelt ist schließlich noch jung und lernfähig. Der abendliche Knopfdruck Die größte Hetz mit ihren vielen bunten Stromkampagnen hatten unsere bundesdeutschen Nachbarn, die alle miteinander natürlich einen mächtigen Markt abgeben. Der abendliche Knopfdruck an der Glotze genügte, und über den TV-Schirm flimmerten die irrsten Ideen, die sich die werbende Menschheit zum Thema "Ich und mein Stromlieferant" ausdenken konnte. Den Anfang machte eine neue Strommarke, die sich endlich zu nichts Geringerem anschickte, als die Lösung des Rätsels, wie Strom denn eigentlich aussehe, zu verraten. Eine Zeitlang war Strom einfach "yello", doch der Gegenschlag der Konkurrenz folgte stehenden Fußes. "Also ich weiß, Strom ist blau", antwortete via Plakatflut "Deutschlands größter Energieerzeuger" RWE Energie. Der plakatierte Anschlag darauf lautete sofort mit der gebührenden Süffisanz: "Ich kauf' doch keinen Strom von einem, der blau ist." Mit diesem medial flott in Szene gesetzten Wortgerangel begann eine herrliche Zeit für die Werbewirtschaft, weil jeder, der Strom zu verkaufen hatte, sofort mitringen musste. "Die haben Geld für Werbung rausgeschmissen, als ob sie es im Keller drucken würden", meint Werber Patrick Schierholz dazu, "doch was die Spots sagen sollten, wurde mir nie so wirklich klar." "Perspektiven entstehen aus Energie" ließ etwa Bayernwerk verlauten und eine neongrün ausgeleuchtete Turmspringerin elegant in eine neue Energiezukunft abheben. Die HEW legte es ebenfalls doppelbödig, wenngleich etwas historischer an. Über dem zeitgeschichtlichen Foto eines Rosinenbombers hieß es: "Versorgung von außen kommt an in Berlin". Wenn das nicht ein Irrtum war. Frontman Arnie Schwarzenegger Denn nachdem allerlei Strom-Zwischengetändel den Bach hinuntergegangen war, entzündeten sich Ende vergangenen Jahres die Gemüter - selbstverständlich vor allem die der Konkurrenz - an einer Spot-Serie der Düsseldorfer E.ON. Arnold Schwarzenegger hatte als deren Frontmann an Kühlschränken und anderen Mobiliaren gerüttelt, und dazu verkündet, dass sich der Endverbraucher bei E.ON fürderhin aussuchen könne, aus welcher Energiequelle er seinen Strom beziehen wolle. Die "Mix it, Baby"-Kampagne verbreitete zwar Hollywood-Feeling, doch, laut Mitbewerbern, zugleich auch ziemlichen Unsinn, denn kein Mensch könne sich aussuchen, aus welchem Wasser- oder Atomkraftwerk der zu Hause abgezapfte Strom tatsächlich stamme. Das Hamburger Landgericht unterwarf den Spot denn auch einer einstweiligen Verfügung. Hierzulande muss im Unterschied zu den deutschen Nachbarn jeder Stromverkäufer laut Gesetz die Herkunft seiner Ware offen legen, also deklarieren, ob Wind, Wasser oder Atomspaltereien zur Energieerzeugung herangezogen wurden. In Österreich, wo die Stromliberalisierung bis zum "Strom-Unabhängigkeitstag" (so gepriesen vom neuen Anbieter Switch) Schritt für Schritt erfolgte, ging man die Sache - zumindest marketingtechnisch und vor den Kulissen - etwas gemächlicher an. Die verschiedenen Anbieter haben Kundennähe und Servicemaßnahmen verbessert. Sie werben vergleichsweise besonnen und verweisen vor allem, so sie atomfrei zapfen, auf die "saubere" Herkunft ihrer Ware. Sauberstrom aus Österreich "Der beste Strom kommt von daheim", behauptet etwa die Alpen-Adria-Energy-AG, und der Verbund als mächtigster heimischer Wasserkraftproduzent definiert sich schlicht als "Sauberer Strom aus Österreich". Wenn die teils atomenergieimportierende EVN allerdings mit Slogans wie "So sicher wie der Sommer" wirbt, verwäscht sich die Botschaft etwas ins Unreine. Die aggressivste Kampagne lieferte Switch - "Energy for life" - mit dem Slogan "Wechseln Sie wenigstens den Strom!". Man sah dazu Nonnen und Ehepaare, auch Elvis Presley tauchte aus unerfindlichen Gründen unkommentiert auf. So richtig wechselfreudig sind die Stromkunden übrigens nicht, nur wenige schlossen sich an ein anderes als ihr Strom-Stammunternehmen an, auch im werbemächtigeren Deutschland war das Lieferantenwechseln hauptsächlich ein Thema für die Industrie. Die wahrscheinlich nachhaltigste Imagepflege unternahmen hierzulande Kraftwerksbetreiber wie etwa die Vorarlberger Kraftwerke AG und ihre "Saubere Leistung aus Vorarlberg". In einer sorgfältig zusammengestellten schönen Festschrift, "Kraftfelder" betitelt, erschienen zum 100-jährigen Jubiläum, definieren sich die Stromproduzenten aus dem Ländle als moderne Traditionalisten, als Strommühlenbetreiber erster Ordnung. "Strom prägt ein Jahrhundert", so die Devise, und nicht kurzlebige Kühlschrankschüttler à la Arnie. derStandard/rondo/15/2/02