Wien - Auch unter einer neuen tschechischen Regierung, der er angehören würde, werde es keine Kursänderung in den Fragen Temelín und Benes-Dekrete geben. Das hat der Präsident des tschechischen Unterhauses und Vorsitzende der Demokratischen Bürgerpartei (ODS), Václav Klaus, klar gemacht. Der frühere Regierungschef traf am Mittwoch in Wien mit Bundespräsident Thomas Klestil, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, Nationalratspräsident Heinz Fischer und Landwirtschafts- und Umweltminister Wilhelm Molterer zusammen.

Schon vor seiner Ankunft in Wien hatte Klaus zu verstehen gegeben, dass er inhaltlich auf tschechischer Seite wenig Spielraum sieht. "Ich werde zwar nicht die Bonmots des Herrn Ministerpräsidenten (Milos) Zeman verwenden, aber zur Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Temelín bin ich der gleichen Ansicht wie er", sagte der Parlamentspräsident in einem BBC-Interview.

Auch gegen die Versuche, die Benes-Dekrete zu einem Thema bei den EU-Beitrittsverhandlungen Tschechiens zu machen, wandte sich Klaus dezidiert: "Man muss die Vergangenheit erforschen und aus ihr lernen. Aber sie eignet sich nicht als Thema für neue politische Verhandlungen oder zur Schaffung neuer politischer Tatsachen." Das wolle er bei seinen Gesprächen in Wien "geduldig" erklären.

In Wien betonten Klestil und Klaus nach ihrem Treffen, die bilateralen Beziehungen dürften nicht auf die Themen Temelín und Benes-Dekrete reduziert werden. "Wir sehen es beide als schweren Fehler an, die Beziehungen auf jene zwei Themen zu reduzieren, die zuletzt aufgetaucht sind", sagte Klaus gegenüber der tschechischen Nachrichtenagentur CTK. Zu den vor allem vonseiten der Sudetendeutschen geforderten symbolischen Gesten Prags sagte Klaus, man solle solche Gesten nicht überbewerten. Klestil wies seinerseits auf die "Sorgen und Ängste" in Österreich betreffend Temelín hin.

Der tschechische Premier Milos Zeman wiederholte unterdessen in einem News-Interview seine Ankündigung, dass Prag für die Nazigegner unter den Sudetendeutschen "Gesten" setzen werde. Für eine politisch-historische Erklärung zwischen Österreich und Tschechien, wie sie von Wien gewünscht wird, sieht Zeman keine Notwendigkeit. (Der STANDARD, Printausgabe 14.2.2002)