Istanbul - Fünf Monate nach den Terroranschlägen vom 11. September in den USA sind am Dienstag Vertreter von 71 europäischen und islamischen Staaten in Istanbul zusammengekommen, um über ein besseres gegenseitiges Verständnis der Kulturen zu beraten. An dem vom türkischen Staatspräsidenten Ahmet Necdet Sezer eröffneten Forum der Europäischen Union und der Organisation der Islamischen Konferenz nehmen mehr als 40 Außenminister teil, unter ihnen auch Benita Ferrero-Waldner, die sich für eine Lösung des Nahost-Konflikts nach südafrikanischem Vorbild aussprach. Es müsse zu einer Bereitschaft kommen, "um des Friedens willen Rechte abzugeben", sagte sie.Solana: Nur zwei getrennte Staaten können in Nahost Frieden bringen Der französische Außenminister Hubert Vedrine wollte dem Forum seinen Friedensplan für den Nahen Osten präsentieren, der die sofortige Anerkennung eines palästinensischen Staates vorsieht. Auch eine palästinensische Delegation nimmt an dem Treffen teil; sie wird vom Außenminister der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Faruk Kaddumi, geleitet. Der Hohe Repräsentant für die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Javier Solana, bekräftigte, dass nur zwei getrennte Staaten von Israelis und Palästinenser einen dauerhaften Frieden bringen könnten. Die EU sei entschlossen, in dieser Richtung zu arbeiten, sagte Solana. Ferrero: Ursachen statt der Symptome bekämpfen Statt die Spirale der Gewalt hochzudrehen, müsse in Nahost die Dynamik des Konflikts durch Dialogbereitschaft gebremst werden, sagte Ferrero-Waldner. Man müsse "auch bereit sein, um des Friedens willen Rechte abzugeben". Statt Parteilichkeit sei ehrliche Maklerschaft erforderlich. Statt die Symptome von Konflikten zu bekämpfen, müsse man bei ihren sozialen und politischen Ursachen ansetzen. "In Südafrika haben wir während der Apartheid auch hören müssen, eine Abschaffung der Rassentrennung sei ohne Blutvergießen nicht möglich. Es ist dennoch gelungen, weil man andere Prinzipien angewendet hat", betonte die österreichische Außenministerin. Türkei besorgt wegen möglichem US-Militärschlag im Irak Der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit drückte seine Sorge angesichts eines möglichen militärischen Schlages der USA gegen den Irak aus. Ecevit hatte den irakischen Präsidenten Saddam Hussein in einem Schreiben dringend aufgefordert, die UNO-Waffenkontrollore unverzüglich wieder ins Land zu lassen. US-Präsident George W. Bush hatte in einer Rede zur Lage der Nation den Irak, den Iran und Nordkorea als "Achse des Bösen" bezeichnet. Iran fordert Engagement der EU im Nahen Osten Heftige Kritik an dem "einseitigen und militaristischen Vorgehen" Washingtons übte der iranische Außenminister Kamal Kharrazi. Dieses diene ausschließlich eigenen außenpolitischen Zielen und gefährde den internationalen Kampf gegen den Terrorismus. Kharrazi forderte die EU auf, eine größere Rolle im Nahen Osten zu übernehmen und "Unparteilichkeit, Gerechtigkeit und Pragmatismus" in den Konflikt zu tragen. "Die Kampagne gegen den Terrorismus sollte nicht auf Länder übergreifen, die mit dem Terrorismus nichts zu tun haben", forderte der sudanesische Außenminister Mustafa Osman Ismail. Der türkische Außenminister Ismail Cem, der nach dem 11. September die Konferenz in Istanbul angeregt hatte, sagte: "Diese Konferenz sendet die klare Botschaft, dass ein Kampf der Zivilisationen kein unabwendbares Schicksal ist". Der türkische Vizepremier Mesut Yilmaz erklärte, eine Aufnahme der Türkei wäre ein Beweis für die ethnische, religiöse und kulturelle Toleranz der EU. Folgetreffen geplant Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, Oberhaupt der orthodoxen Christenheit, richtete ein Grußwort an die Teilnehmer. Ob es zu einer gemeinsamen Abschlusserklärung des zweitägigen Forums kommen wird, ist noch ungewiss. Ferrero-Waldner und Cem verständigten sich am Montagabend in Istanbul darauf, ein Folgetreffen für das EU-ICO-Forum nach Wien einzuberufen, meldete der türkische Nachrichtensender NTV. Auf dem Wiener Treffen solle entschieden werden, ob und in welcher Form das Forum institutionalisiert werden kann.(APA/dpa)