Der Begriff Skandal ist angebracht: Die eklatanten Missstände, Fehler und Vertuschungen, die bei BSE-Tests in Deutschland in den vergangenen Wochen aufgedeckt wurden, sind schier unglaublich. Zwei Labors in Bayern arbeiteten gleich ohne Lizenz; in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg wurde einfach auf vorgeschriebene Untersuchungsmethoden verzichtet, um die Kosten zu senken. Mehr als 53.000 Tests wurden inzwischen beanstandet, 40.000 weitere dürften folgen. Da immer wieder neue Unregelmäßigkeiten auftauchen, handelt es sich wohl um die Spitze eines Eisberges.Es rächt sich nun, dass unter dem Eindruck der BSE-Krise überhastet vorgegangen wurde. Schnelligkeit vor Seriosität war offenbar bei der Auswahl der Labors die Devise - nach dem Motto: Wir müssen die Konsumenten rasch beruhigen, damit der Rindfleischmarkt nicht ganz zusammenbricht. Dass monatelang Missstände nicht aufgedeckt wurden, offenbart die Ineffizienz der Kontrollmechanismen. Die Zuständigkeiten liegen in Deutschland bei den 16 Bundesländern, was eine einheitliche Überprüfung praktisch unmöglich macht. Diese Lücken zeigen auch auf, dass Gesetze allein nicht ausreichen. Die deutschen Behörden wollten besonders streng vorgehen, indem sie alle Rinder, die älter als 24 Monaten sind, auf BSE hin testen lassen. EU-weit liegt die Altersgrenze bei 30 Monaten. Auch wenn beteuert wird, dass Tausende Tonnen Rindfleisch nur vorsorglich beschlagnahmt werden, wird dies negative Auswirkungen auf den Absatz von Rindfleisch haben. Denn dem Konsumenten wurde Sicherheit vorgegaukelt nach der Devise: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Durch diese Defizite bei der Kontrolle ist das Vertrauen der Verbraucher in Deutschland und wohl auch darüber hinaus nun nachhaltig beschädigt. (Alexandra Föderl-Schmid, Der Standard, Printausgabe, 12.02.02)