Wien - Die Ethikkommission der Bundesregierung wird in ihrer nächsten Sitzung am Montag nach Standard-Informationen zu ihren ersten Empfehlungen an die Politik kommen. Das 19köpfige Expertengremium dürfte einstimmig die Unterzeichnung der Biomedizin-Konvention des Europarates empfehlen. Die Behindertenorganisationen, vertreten durch ihr alternatives Ethikgremium, fühlen sich - nach ersten allseits als "konstruktiv" bezeichneten Gesprächen in einer Kontaktgruppe - dadurch übergangen. "Wir sind nicht eingeladen und haben den uns versprochenen Empfehlungsentwurf nicht bekommen", sagt Birgit Primig, die Vorsitzende der "Ethikkommission für die Bundesregierung". Kleinster gemeinsamer Ethiknenner Hauptkritikpunkte sind die Paragraphen 17 und 21 der Konvention, die völkerrechtlich quasi den kleinsten gemeinsamen Ethiknenner definiert. Im Kern geht es beim 17er um Medizinforschung an "nicht einwilligungsfähigen Personen", also etwa geistig Behinderten oder Komapatienten. Paragraf 21 will an ihnen in Ausnahmefällen die Entnahme eines nicht lebensnotwendigen Organs zur Transplantation zulassen. "Wir wollen vor der Ratifizierung ein Begleitgesetz zur Ausweitung des Schutzes", sagt Behindertenaktivistin Primig, "und einen Begleitbrief der Regierung." Darin solle diese offiziell fest schreiben, dass sie, erstens, die konkreten Bedenken der Behinderten teile, und zweitens, dass sie eine entsprechende Evaluierung der Konvention nach fünf Jahren fordere. Kommunikationsfehler Der Vorsitzende der Ethikkommission, der Gynäkologe Johannes Huber, erklärt sich die Verstimmung mit "Kommunikationsfehlern". Im Übrigen werde am Empfehlungstext noch kommissionsintern gefeilt. Infolge der Standard- Recherchen versicherte Huber am Freitag, sein Gremium sei sehr daran interessiert, "dass das konsensuell über die Bühne geht". Die Ethikkommission werde den Behinderten den Empfehlungstext geben, "wenn er fertig ist". Dafür werde es nach Montag ein weiteres Treffen der Kontaktgruppe geben. "Ich weiß nicht", wundert sich Primig über die Chronologie, "wie man mit uns dann Änderungen an einem bereits beschlossenen Papier vornehmen will." Spanien will bremsen Auch in einem zweiten Tagesordnungspunkt spüren Mitglieder seiner Kommission "Bedarf" von oben nach einem Beschluss in der Montagsitzung: ob nämlich Österreich die Finanzierung von Studien mit Embryostammzellen im EU-Forschungsrahmenprogramm der nächsten Jahre hinnehmen soll. Bildungsministerin Elisabeth Gehrer lehnt dies ab und soll für den EU-Forschungsministerrat im März eine Empfehlung mitbekommen. Ob dort tatsächlich "Bedarf" nach einem Beschluss zur ethisch umstrittenen Forschung mit Embryozellen herrschen wird, ist allerdings offen. Denn die spanische Regierung ist auf eine vorsichtige Linie umgeschwenkt und will das Rahmenprogramm nicht in ihrer Präsidentschaft beschlossen sehen. Zudem hat Österreich wegen der im Rat vorgesehenen qualifizierten Mehrheit so oder so wenig Gewicht. Auch die Ethikkommission ist über die Embryoforschung gespalten, daher dürfte es zu dissenting votes kommen. (DER STANDARD, Printausgabe, 9./10.2.2002)