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"Das hier war keine politische Maschine, die ein Ergebnis produzieren musste," sagt Claus Leggewie über das Weltsozialforum, das am Dienstag mit einer Schlusszeremonie endete.

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Frage: Wissen Sie nach der Konferenz in Porto Alegre, wie eine bessere Welt aussehen könnte? Claus Leggewie : So wie diese Bewegung: Heterogen, aber um dieselbe Sache bemüht, transnational, aber mit regionalen Schwerpunkten, mit unterschiedlichen Zielen, aber bereit zur Diskussion. Frage: Muss man Leute, die man vom Mittun überzeugen will, nicht genauer über die eigenen Vorstellungen informieren, als das hier geschehen ist? Leggewie : Bewegungen mit klaren, eindeutigen Zielen wie noch im 20. Jahrhundert gibt es nicht mehr. Die Kritiker der Globalisierung möchten nicht ein Paradies realisieren, sondern den schlimmen Zustand der Welt etwas verbessern. Frage: Hier wurde wenig diskutiert, eher stellte man Berichte über die jeweils eigene Welt und Ideen für Alternativen nebeneinander. Ein Nachteil? Leggewie: Überhaupt nicht. Das war hier keine politische Maschine, die ein Ergebnis produzieren musste. Frage: Die Diskussionen über eine neue politische Weltordnung hielten sich sehr in Grenzen. Wird nicht Streit vermieden, um den Zusammenhalt der Bewegung zu sichern? Leggewie : Ich glaube nicht, dass man Beißhemmungen hat. Die Schwäche der Bewegung liegt höchstens darin, dass sie zwar sehr viel Know-how gesammelt hat über Patente, Saatgut, Finanzmärkte etc. Aber sie weiß nicht so genau, wie sie ihre Inhalte in Politik umsetzen soll. Über das Funktionieren von Institutionen und Demokratie müssen sich Globalisierungskritiker mehr Gedanken machen. Frage: Wie können Attac & Co aus dieser Sackgasse herauskommen? Leggewie : Indem man zur Kenntnis nimmt, dass auch bei den Feinden, der Weltbank etwa oder der Welthandelsorganisation, aufgeklärte Tech- nokraten sitzen, die sehr genau hinschauen, was in Porto Alegre gesagt wurde. Und die kritische Ideen in ihre Institutionen einspeisen. Frage: Beim Weltsozialforum hat eine Strömung vertreten, dass der Nationalstaat wieder gestärkt werden und man sich mit Anliegen mehr an die jeweilige Regierung wenden müsse. Was halten Sie davon? Leggewie: Das ist zu einseitig. Die Bewegung muss den gesamten Koffer ihrer Handlungsmöglichkeiten auspacken: lokal, national und transnational. Frage: Die Globalisierungskritiker sagen von sich selbst, dass die Bewegung nur wegen ihrer extrem offenen Strukturen in so kurzer Zeit so gewachsen ist. Könnte sie deshalb nicht ebenso schnell wieder zerfallen? Leggewie: Wir leben in einer Welt der Netzwerke. Die Heterogenität ist die Stärke dieser Bewegung. Kommandostrukturen, Tabuisierung von The- men, Ausschluss von Personen - alles das wäre schädlich. Mit einer Ausnahme: die Ablehnung von Gewalt. Frage: Kann denn ein so unordentlicher Haufen politische Institutionen herausfordern? Leggewie: Die Nationalstaaten und die transnationalen Regime wie der Internationale Währungsfonds stecken in einer tiefen Legitimationskrise. Die Globalisierungskritiker sollten deshalb auch die liberale - oder besser: - linkslibertäre Kritik am Welthandelssystem ausbauen. Die neoliberale Elite verstößt ja gegen ihre eigene Ideologie: Sie behauptet, den freien Wettbewerb zu stärken; in Wirklichkeit schafft sie Monopole, die echten Wettbewerb und technischen Fortschritt behindern. Der angebliche Freihandel bedeutet Diskriminierung für die Armen und Monopolisierung für die Reichen. Wenn sie es richtig anpackt, hat diese Bewegung das Zeug, eine Volksbewegung zu werden. Denn populär sind viele ihrer Themen. (DER STANDARD, Printausgabe 7.2.2002)