Kosovo
Milosevics Ausführungen sollen "mindestens" einen Prozesstag dauern
Belgrader Anwälte fordern Einsicht um "Komplette Dokumentation" der Ära Milosevic
Belgrad - Die Ausführungen des früheren jugsolawischen
Präsidenten Slobodan Milosevic vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal,
wo am kommenden Dienstag der Prozess gegen seine Person wegen
Kriegsverbrechen im Kosovo, Bosnien und Kroatien beginnt, werden
''mindestens einen Prozesstag'' in Anspruch nehmen. Der Belgrader
Anwalt des Ex-Präsidenten Zdenko Tomanovic erklärte Mittwoch bei
einer Pressekonferenz, dass Milosevic von seinem Recht Gebrauch
machen wolle, ''sich selbst, das serbische Volk und die Politik
Belgrads der letzten zehn Jahre'' zu verteidigen. Er werde Tomanovic
zufolge erneut auch die Frage seiner ''rechtswidrigen Auslieferung''
stellen. Milosevic werde auch verlangen, dass im Gerichtssaal alle
diejenigen auslädischen Politiker erscheinen, die mit ihm in Kontakt
gewesen seien, um alle Einzelheiten im Zusammenhang mit den von den
Anklagen erfassten Geschehnisse zu erlätern, sagte Tomanovic. Er
konnte allerdings nicht präisieren, wie Milosevic, der das Tribunal
fü eine ''gesetzwidrige und illegale'' Institution hält, seine
Forderung zu formulieren gedenkt, um nicht in das ''Verfahren
verwickelt'' zu werden.
Tomanovic kündigte die Absicht des Belgrader Anwaltsteams an, von
den jugoslawischen und den serbischen Behörden die Einsicht in alle
Dokumente, einschliesslich vertrauliche, der Ära Milosevic zwecks
Verteidigung des Ex-Praesidenten zu beantragen. Es gebe keinen Grund
für die Behörden, diesen Antrag zurück zu weisen, meinte Tomanovic.
Gericht für "Wahrheit und Recht"
Von den Behörden wird auch gefordert, den Militär- und
Polizeiangehörigen zu ermöglichen, vor dem Tribunal zu Gunsten von
Milosevic auszusagen.
Tomanovic hat auch die Bildung eines Gerichtes für ''Wahrheit und
Recht'' in Paris angeküündet, vor welchem in Anwesenheit von
Rechtsexperten aus ganzer Welt auf Grund der Tribunalsanklagen ein
Prozess gegen Milosevic geführt werden soll. Als Ankläger sollen jene
des Haager Tribunals vorgeladen werden. Der Prozesstermin hänge
allerdings auch von den zur Verfügung stehenden Finanzmitteln ab. Den
Anwälten zu Folge haben sich bisher 1.380 Personen, darunter Militärs
und Intellektuelle gemeldet, die zu Gunsten von Milosevic in Den Haag
auszusagen bereit wären. Die ganze Aktion laeuft unter dem Motto
''Serbien wird in Den Haag verteidigt'' .
Tomanovic hat zum ersten Mal an die Intellektuellen und vor allem
Mitglieder der Serbischen Akademie der Wissenschaften (SANU)
appelliert, sich zu den Anklagen gegen Milosevic zu äussern.
Milosevic sei ja ''politischer Vollstrecker einer Idee'' gewesen, die
von der serbischen Intelligenz in den späten achtziger Jahren
gepflegt worden sei, meinte er. (APA)