Unternehmen
Rettberg: Insolvenz war vermeidbar
Ex-Vorstand: Unternehmenskrise war im Frühjahr 2000 nicht erkennbar - Vorwürfe auch an Telekom Austria
Wien - Der früher Vorstandsvorsitzende der Libro AG, Andre Rettberg, hat
am Mittwoch zu den Vorwürfen Stellung genommen, die im Gutachten von
Kurzzeit-Finanzminister und Wirtschaftsprüfer Andreas Staribacher
gegen ihn erhoben werden. Von der Erkennbarkeit einer
Unternehmenskrise im Frühjahr 2000" könne keine Rede sein", stellt
Rettberg in einer schriftlichen Stellungnahme fest. Libro sei im
Beurteilungszeitraum "eines der bestgeprüften Unternehmen
Österreichs" gewesen. Die Insolvenz von Libro wäre seiner Überzeugung
nach "vermeidbar" gewesen. Rettberg verteidigte die Expansion im Sommer 1999 nach Deutschland
bzw. ins Internet. "Anfang 2000 war die vollständige Finanzierung
dieser kostenintensiven Expansionsschritte sowohl durch den Börsegang
als auch durch das Engagement der Telekom Austria (TA) bei Libro
vertraglich sichergestellt", so Rettberg weiter.
"Euphorische Einschätzung"
Nicht nur er, sondern "nahezu die gesamte Welt" habe die
Marktentwicklung im Internet bzw. im E-Commerce-Bereich zu euphorisch
eingeschätzt, führt der Ex-Libro-Chef weiter an. Der Kurseinbruch an
den Börsen der Jahre 2000/01 habe in diesem Marktsegment zu extremen
Umsatz- und Gewinneinbrüchen geführt. Die von den USA auf Deutschland
und Österreich übergreifende Resession habe den Buch- und Musikmarkt
besonders hart getroffen, so dass "die von uns gesetzten Ziele nicht
bzw. nicht rasch genug erreicht werden konnten".
Kritik an der Telekom Austria
Rettberg ortet aber auch ein Versäumnis bei der Telekom Austria:
"Hätte die TA entsprechend ihren vertraglichen Verpflichtungen die
anstehenden Zahlungen geleistet", hätte die von uns geänderte
Strategie ...rascher gegriffen", heißt es in der Stellungnahme
weiter.
"Eines der bestgeprüftesten Unternehmen Österreichs"
"Die Libro AG war im Beurteilungszeitraum - von der
Börseneinführung bis zur Insolvenz - wohl eines der bestgeprüften
Unternehmen Österreichs", führte Ex-Libro-Chef Andre Rettberg in
seiner Stellungnahme zum Gutachten weiter aus. Drei führende
Wirtschaftsprüfungskanzleien (KPMG, Ernst & Young, Auditor/Arthur
Andersen) seien zum Teil überlappend tätig gewesen.
Arthur Andersen habe im fraglichen Zeitpunkt das Funktionieren des
Rechnungswesens und insbesondere des Kontrollsystems - im Gutachten
heißt es, ein internes Kontrollsystem habe gefehlt - geprüft und
nichts beanstandet. Rettberg führt dies daruf zurück, dass dem
Gutachter die "im Bereich der Planung, Budgetüberwachung und
Controlling besonders sorgfältig geführte Dokumentation"
offensichtlich nicht vorgelegen sei.
"Gutachten in wesentlichen Teilen nicht richtig"
Rettberg: "Wie Dr. Staribacher in seinem Gutachten selbst
feststellt, wurden ihm von der Libro AG bzw. den Wirtschaftsprüfern
nur unzureichend Unterlagen zur Verfügung gestellt. Ich bin davon
überzeugt, dass das Gutachten daher in wesentlichen Teilen nicht
richtig ist", so der Ex-Chef des Libro-Konzerns. (APA)