Österreich
"Ohrfeigen" für Angeklagten
Immer mehr Widersprüche im Strafprozess gegen Kärntner Arzt
Klagenfurt - Im Strafprozess gegen einen bekannten, wegen
57-fachen gewerbsmäßig schweren Betruges angeklagten Kärntner
Primararzt traten am Mittwoch am Landesgericht Klagenfurt zwei
frühere medizinische Direktoren des LKH Klagenfurt in den
Zeugenstand. Erwin Kalbhenn, Direktor in den Jahren 1993 bis 1998,
zerstörte einige Ansichten der Verteidigungslinie - "Ohrfeigen" für
den angeklagten Primarius.
Widersprüche
Kalbhenn erklärte Richterin Michaela Wietrzyk, der Primarius habe
Wartelisten von Patienten, die an der Herz-Thorax-Station des LKH für
Operationen anstanden, taktisch benutzt, um mehr Personal zu
bekommen. "Etwa im Jahr 1996 war es dann wegen Krankenständen und
Urlauben notwendig, ein deutsches Ärzteteam anzumieten", sagte er
aus. "Dieses operierte den Patientenstau innerhalb weniger Wochen
weg". Dies stand völlig im Widerspruch zu den Aussagen des Primars,
der angab, fast Tag und Nacht gearbeitet zu haben, um geringere
Wartezeiten zu ermöglichen.
Zusatzhonorare
Über die finanzielle Situation eines Primararztes hatte Kalbhenn
ebenfalls mit dem Angeklagten gesprochen. Dieser habe geäußert, "für
einen Abteilungsvorstand zu wenig zu verdienen." Dabei sei jedoch
klar gewesen, so der frühere medizinische Direktor, dass es in
Klagenfurt keine Sonderhonorare gebe, da keine klinischen oder
universitären Abteilungen vorhanden
sind. Von einer so genannten "Kuvertpraxis" (gemeint Zusatzhonorare -
Anm. ) habe er gerüchteweise gehört, aber keine konkreten Hinweise
erhalten. Kalbhenn ergänzte: "Die Entgelte für den Primarius hängen
auch von den Belegungstagen in den Betten der Sonderklasse ab." Dem
Herzspezialisten wird bekanntlich von früheren Mitarbeitern
vorgeworfen, eigenmächtig "normale" Patienten in Klasse-Betten
verlegt zu haben.
Patienten
Die Privatordinationen der Ärzte des LKH Klagenfurt habe Kalbhenn
als medizinischer Direktor ungern gesehen, denn: "Dies führt zu
Interessenskonflikten und Verführungen aller Art." Aber viel dagegen
machen habe er nicht können: "Sobald ich etwa Gerüchten betreffend
Operationen unserer Ärzte außer Haus nachgehen wollte, fielen
Primarärztekollegium, Ärztekammer, Betriebsrat und Politik in
fröhlicher Eintracht über mich her."
Udo Gutmann, ärztlicher Leiter des LKH Klagenfurt von 1972 bis
1992 und langjähriger Vizepräsident der Ärztekammer, war nach eigenen
Worten mit den finanziellen Gebarungen in seiner Amtszeit nicht
befasst. "Aber vom Primar nach Klagenfurt geholte ausländische
Patienten, sorgten für Probleme bei der
herrschenden räumlichen Enge." (APA)