Wirtschaft
Tauziehen um Blauen an Deutschland geht weiter
EU-Kommission: Instrument der Frühwarnung muss anwendbar bleiben
Brüssel - Deutschland versucht weiter auf allen Ebenen eine
Mahnung (blauer Brief) der EU-Finanzminister wegen des hohen Defizits
von 2,7 Prozent zu verhindern. Die EU-Kommission hatte einen solchen
Schritt empfohlen, weil Deutschland von den selbst gesteckten
Budgetzielen deutlich abweiche. Die Empfehlung der EU-Kommission enthalte keine konkreten
Empfehlungen, wie die Wirtschaftspolitik verbessert werden könnte,
bemängelt Deutschland. Deshalb sei die Frühwarnung "so" nicht
EU-konform, wie der deutsche Kanzler Gerhard Schröder wiederholt
sagte. Die erste Warnung, um die es derzeit geht, schreibe aber noch
nicht die Vorgabe konkreter Verbesserungen vor, kontert man in der
EU-Kommission. In der Empfehlung werde außerdem auf die laufende
Kontrolle der Budgets von Ländern und Sozialversicherung und auf die
strikte Umsetzung der Finanzpläne verwiesen.
EU-Kommission: Entscheidung klar
Ein Sprecher der EU-Kommission erinnerte am Freitag in Brüssel
daran, dass die EU-Finanzminister am Dienstag eine Entscheidung
treffen müssten. Die Haltung der EU-Kommission sei klar und liege am
Tisch. Damit aus der Empfehlung der EU-Kommission wirklich eine
Frühwarnung wird, braucht es die qualifizierte Mehrheit der
Mitgliedsstaaten. Das heißt Deutschland braucht nur zwei weitere
große Staaten oder drei bis vier kleine Staaten auf seiner Seite,
dann kann es die Verabschiedung verhindern.
Allerdings sei klar, dass sowohl die EU-Kommission als auch der
Stabilitätspakt beschädigt würden, sollten die Finanzminister gegen
die Empfehlung der EU-Kommission stimmen, hob ein EU-Diplomat am
Freitag hervor. Die EU-Kommission verweist nur darauf, dass sie zwei
Ziele habe: Der Inhalt der Frühwarnung - die strikte Umsetzung der
Finanzpolitik - müsse verwirklicht werden. Und das Instrument der
Frühwarnung selber müsse in Zukunft anwendbar bleiben - was bei einer
Ablehnung der Kommissionsempfehlung wohl schwieriger würde. Leise
Hoffnung hat Deutschland noch, dass die EU-Kommission ihr Papier
zurückzieht - der Sprecher des zuständigen EU-Kommissars Pedro Solbes
schloss dies aber aus.
Portugal hat leise akzeptiert
Deutschland versteift sich nun darauf, dass das Defizit ja ohnehin
nicht die 3,0-Prozent-Marke übersteigen werde und es keine sachlichen
Gründe gebe, 2,7 Prozent als "nahe an 3,0 Prozent" zu definieren.
Auch sei nirgendwo festgeschrieben, dass eine Abweichung des Defizits
vom Plan um 1,1 Prozentpunkte wie im Falle Deutschlands wirklich
signifikant sei. Zwar bestätigen alle Seiten, dass es auf
Ministerebene laufende Kontakte Deutschlands mit den EU-Partnern
gebe. Diese haben aber noch nicht öffentlich ihre Positionen bekannt
gegeben. Für Dienstag könne man daher "nichts ausschließen", so der
EU-Diplomat.
Wenig bemerkt von der Öffentlichkeit hat die EU-Kommission
übrigens auch für Portugal eine Mahnung empfohlen. Portugal hat diese
still und leise akzeptiert. (APA)