Die Kritik der Opposition hat sich im Rahmen der erwarteten Biederkeit gehalten, die Miasmen regierungsamtlicher Selbstbeweihräucherung haben sich verzogen - das zweijährige Jubiläum der schwarz-blauen Koalition wäre überstanden. Was die Wählerinnen und Wähler betrifft, ist den Umfragen zu entnehmen: Die Wende - als Signal eines Aufbruchs zu tiefgreifender gesellschaftspolitischer Änderung österreichischer Verhältnisse - erscheint ihnen auch nach zwei Jahren nicht als schätzenswerte Alternative. Da ihnen aber bisher keine Alternative zur Wende erschienen ist, sind sie mit der Arbeit der Regierung nach dem Motto "Da kannst nix machen" mehr oder weniger zufrieden. Nicht einmal dem Bundeskanzler, der in der Pressestunde des Fernsehens seine Chancen zur Selbstberühmung weidlich nützte, sofern er nicht - wie in Sachen ORF oder Wasserkraft - wohl berechnete Kindesweglegung betrieb, entströmte etwas, was auch nur andeutungsweise nach Begeisterung roch. Seine Behauptung, Österreich stünde heute besser da als vor zwei Jahren, schlägt sich im Lebensgefühl der Bevölkerung nicht nieder, sonst wäre wohl auch die Zustimmung zu seiner Regierung breiter als bei ihrer Gründung. Diese rangiert zwar unter den 54 Prozent, die die Koalition im Nationalrat aufbringt, aber noch immer stabil knapp über 50 Prozent, was die Behauptung verbietet, die Koalition hätte keine Mehrheit mehr. Sollte man die allgemeine Grundstimmung kurz beschreiben, dann so: abwartende Distanz. Und weil der Wahlkampf mit Blick auf das Frühjahr 2003 nun einmal begonnen hat, beginnt man sich da und dort Gedanken zu machen, wie es danach weitergehen könnte, lauter oder leiser, glaubwürdig oder nicht. Doppelt unglaubwürdig FPÖ-Politiker `a la Prinzhorn, wenn sie so tun, als bedürfte es nur eines Winks an die SPÖ, um den Koalitionspartner kleinzukriegen. Erstens hat die SPÖ mit der Haider-FPÖ inhaltlich so gut wie nichts gemein, und zweitens hat SP-Vorsitzender Alfred Gusenbauer diese Variante nun neuerlich ausgeschlossen. Das ist nur realistisch. Weniger realistisch mutet indes seine Hoffnung an, neben den Grünen könnte auch eine "völlig veränderte ÖVP" Partner der SPÖ sein. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass diejenigen, die für das schwarz-blaue Experiment die Verantwortung tragen, nach einer nicht erfolgreichen Wahl weiterhin das Sagen haben werden", meinte Gusenbauer Montag. Die erste Frage, die sich da stellt, ist: Wo soll denn diese völlig veränderte ÖVP herkommen? Gewiss, nicht alle führenden Funktionäre der ÖVP sind von der schwarz-blauen Ehe begeistert. Letztlich haben sie sich aber alle gebeugt und das Experiment mehr oder weniger begeistert abgesegnet. Dem Argument, es gelte um jeden Preis die historische Chance zu nutzen, nach Jahrzehnten in der Opposition oder an der zweiten Geige nicht nur den Bundeskanzler zu stellen, sondern die "roten G'frieser" möglichst lange vom Regieren fern zu halten, sind sie letztlich alle erlegen, ohne Ausnahme. Selbst wenn sie Wolfgang Schüssel und Andreas Khol als Sündenböcke abservierten - was fraglich ist -, könnte von einer "völlig veränderten" Volkspartei nicht die Rede sein. Es wäre die alte Partei - mit zwei neuen Hinterbänklern. Will die SPÖ entscheidend mehr und vor allem junge Wähler anziehen, müsste sie sich ihre Ziele schon etwas höher stecken, als einfach wieder die Koalition der "Altparteien" anzuvisieren. Von der hatten die Menschen genug, und ihr Unmut über Rot-Schwarz ist noch immer groß genug, dass er ausreicht, einer unansehnlichen Regierung mehr Ansehen zu erhalten, als sie verdient. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 6.2.2002)