Ende vergangener Woche mussten die Wiener City Cinemas am Handelsgericht Konkurs beantragen: Das Kinosterben in der Innenstadt dokumentiert die Dringlichkeit strukturpolitischer Reformen. Eine der vordringlichsten Aufgaben der europäischen Kultur- und Filmpolitik ist, dafür Sorge zu tragen, dass in den Regalen des "audiovisuellen Supermarktes" in Augenhöhe neben den Mainstream Produkten aus den USA auch der europäische Film zu finden ist. Das ist eine kulturelle Dienstleistung. Die europäischen Förderprogramme sind allerdings nur eine Hilfe zur Selbsthilfe. Aus Gründen der Subsidiarität liegt die Hauptverantwortung in Sachen Filmförderung bei den Nationalstaaten - und Österreich hinter den 7 Bergen ... Als in Wien die Multiplex-Ära begann, versuchte man sehr spät die letzten Innenstadtkinos zu erhalten, Das Wiener Kinoangebot sollte nicht ausschließlich auf Multiplex- und Programmkinos reduziert werden. Es kann auch nicht sein, dass es ähnlich wie bei der Mediaprint, nur mehr einen Anbieter geben soll (bundesweit hat die Constantin eine Monopolstellung). Monopolisierung "neu" Leider zielt das österreichische Kartellrecht aber auf keine visionäre Liberalisierung, sondern eher auf eine Monopolisierung "neu". Die leicht verbesserte Wiener Kinoförderung, und das Weihnachtsgeschenk des Bundes (Kinosonderförderung) sind finanzielle Krücken, ändern aber strukturell nichts am desolaten status quo. Nehmen wir das Beispiel Deutschlands mit seiner FFA-Abgabe (Filmfinanzanstalt): Die Besteuerung der Kinokarte ist zweckgebunden und kommt dem heimischen Film zugute. Den Erlös einer Kinokarte nach Abzug dieser Steuer teilen sich Kinobesitzer und Verleiher. Somit werden heimische Filmproduktionen indirekt subventioniert, auch von ausländischen Verleihern, also aus den USA. Zum Teil finanziert sich somit die Branche selber. (Der Gedanke, dass ein Blockbuster den nächsten österreichischen Film mitträgt, beflügelt meine Phantasie ...) . "Barockes" Modell der Vergnügungssteuer In Österreich hingegen hält man an dem "barocken" Modell der Vergnügungssteuer fest. Um von dieser Steuer befreit zu werden sucht der Filmverleih um eine Prädikatisierung bei der zuständigen Kommission an. Die Gebühren dafür sind relativ hoch, bei einem Film durchschnittlicher Länge über 800 Euro. "Titanic" zum Beispiel erhielt ein Prädikat, Filme wie "Hundstage" scheitern an den hohen Einreichungsgebühren. Finanziell kräftig ausgestattete Filme können es sich leisten, von der Vergnügungssteuer befreit zu werden, andere nicht. Diese Rechnung ist absurd und verlängert die Schlange der Anwärter, die auf die Subventionen durch öffentliche Gelder warten bis ... ja bis wann? Bis nix mehr da ist? Schon längst hätte man in Österreich über eine Art modernes "Mäzenatentum" nachdenken sollen, um sich der gewünschten Unabhängigkeit anzunähern. Kinos: Nicht nur Wirtschaftsfaktor sondern auch Kulturträger Als die Kiba Ende der 90er die City Cinemas den neuen Betreibern (wohl gemerkt mit Altlasten) übergab, hätte man für die Probleme, die durch das Bundesmietrechtsgesetz aufgetreten sind, eine politische Lösung finden müssen. Denn Kinos sind eben nicht nur ein Wirtschaftsfaktor sondern auch Kulturträger, und wenn Mieten von ca. 4200 Euro pro Monat plötzlich verdoppelt oder gar verdreifacht werden, so ist das kaum zu bewältigen. Wenn Wien ein lebendiges Stadtbild, einen fairen Wettbewerb unter den Anbietern und eine Plattform für den österreichischen und europäischen Film erhalten möchte, muss es strukturpolitische Reformen durchführen. Sofort! "Lebendiges Museum" Gartenbau Wer soll aber die jetzt benötigten ca. 3,6 Millionen Euro bezahlen? Nun, wenn die Stadt Wien im Nachhinein die Altlasten der Kiba ausgleicht und sich an den jahrelang von der Kiba nicht getätigten Investitionen beteiligt, die ca. 560.000 Euro Eigenmittel der City Kinos anerkennt, sind wir der Lösung schon einige Schritte näher. Das Gartenbaukino verschluckt den Löwenanteil und könnte mit 1 bis 1,5 Mio. Euro als "lebendiges Museum" geführt werden. Abgesehen von diesen Rechenbeispielen zeigt die Situation der City-Cinemas sehr deutlich, wie notwendig strukturelle Maßnahmen sind, um nicht ständig in immer wieder dieselbe Misere zu purzeln. Keine kurzsichtigen Lösungen um zu retten was zu retten ist, sondern politische Weitsichtigkeit und Phantasie sind gefragt. Kinos zusperren? Kinovielfalt? Programmvielfalt? Die Politik sollte diese Entscheidung fällen und nicht das Diktat des Marktes. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 04.02. 2002)