Bild nicht mehr verfügbar.

Foto:Reuters/Bensch
Bei den im Februar und März anstehenden Tarifgesprächen werden die Weichen für die Wirtschaftsentwicklung gestellt, meint der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Dieter Hundt: "Die deutsche Regierung wird bis zur Wahl im September keine wesentlichen Änderungen der Arbeitsmarktstrukturen beschließen, für Gesetzesinitiativen ist es zu spät. Für Konjunkturbelebungsprogramme sind die finanziellen Spielräume nicht vorhanden. Damit bleibt nur die Tarifpolitik für positive Impulse."

Deshalb sei es entscheidend wichtig, wie die Ergebnisse in der Tarifrunde aussehen. In der deutschen Wirtschaft gebe es derzeit ohnehin eine Phase großer Unsicherheit, so der Arbeitgeberpräsident.

Forderungen "realitätsfremd"

Die Forderung der IG Metall nach Lohn- und Gehaltserhöhungen im Ausmaß von 6,5 Prozent bezeichnete Hundt als "realitätsfremd, weil sie die derzeitige Situation mit wirtschaftlichem Abschwung und die Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht berücksichtigt". Die psychologische Wirkung dieser Forderung sei ebenso verheerend wie die Drohung mit einem Arbeitskampf. "Wenn es uns nicht gelingt, zu einem beschäftigungswirksamen Ab- schluss zu kommen, wird die Arbeitslosenzahl weiter nach oben gehen. Die Zielsetzung der Bundesregierung, die Zahl der Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt auf unter 3,5 Millionen zu reduzieren, wird ohnehin bei weitem verfehlt." Hundt befürchtet, dass diese Woche ein Anstieg der Arbeitslosenzahl auf nahezu 4,3 Millionen verkündet wird.

Dass die Gespräche zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern im Kanzleramt, dem Bündnis für Arbeit, am vorvergangenen Freitag gescheitert sind, dafür weist Hundt den Gewerkschaften die Verantwortung zu. Die rot-grüne Regierung trägt nach Ansicht des Arbeitgeberpräsidenten eine beträchtliche Mitschuld an der hohen Arbeitslosenzahl. "Die derzeitige deutsche Bundesregierung hat im Bereich Flexibilisierung und Bürokratieabbau versagt. Die Regierung hat es für erforderlich gehalten, den Gewerkschaften weitgehend entgegenzukommen. So wurde der Rechtsanspruch auf Teilzeit durchgesetzt, die befristete Beschäftigung eingeschränkt und das Betriebsverfassungsgesetz novelliert. Das war der Ausgleich für die in der Tendenz richtige Steuer- und Rentenreform bei allen Mängeln in Details."

Mainzer Modell

Den Versuch der deutschen Bundesregierung, mit dem so genannten Mainzer Modell (Zuschüsse für Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger, die einen schlecht bezahlten Job annehmen) Arbeitsplätze zu schaffen, bezeichnet Hundt als "nicht optimal", wenngleich er die Aufgabe des Widerstandes gegen die Erschließung des Niedriglohnsektors begrüßt. "Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die Nachteile liegen in der generellen Subventionierung im Sozialversicherungsbereich. Darüber hinaus ist das Modell nicht ausreichend attraktiv zur Arbeitsaufnahme. Wenn ein Sozialhilfeempfänger Arbeit annimmt, wird ihm das bis auf 140 Euro angerechnet. Das ist kein Anreiz zur Arbeitsaufnahme für Langzeitarbeitslose."

Ob der Kanzlerkandidat Edmund Stoiber bessere Vorschläge als Bundeskanzler Gerhard Schröder hat, darauf mag sich Hundt nicht festlegen. "Ich bin überzeugt, dass die nächste Bundesregierung, egal wer Bundeskanzler wird, nicht darum herumkommt, auf dem wirtschaftlichen Feld aktiv zu werden: erstens Entbürokratisierung und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, zweitens eine wirkliche Reform der Sozialversicherungssysteme."

Auf die Frage, ob der Arbeitsmarkt in Deutschland im Vergleich zu Österreich weniger reguliert sei, antwortete der häufig im Ausseer Land urlaubende Hundt: "Ich meine, der Arbeitsmarkt ist in Österreich weniger bürokratisiert und reguliert. Die Macht der Gewerkschaften würde ich ähnlich einschätzen."(STANDARD-Korrespondentin Alexandra Föderl-Schmid aus Berlin, Der Standard, Printausgabe, 04.02.2002)