Mensch
"Spekulations-Blase" oder "Bioaktie"?
Stammzellen aus Nabelschnurblut: Fachleute betonen Möglichkeit zu echten innovativen Therapien
Wien - Zu hoffen ist, dass sich allfällige individuelle
Investitionen in die Technik nicht als "Spekulations-Blase"
herausstellen. Aber die Gewinnung von Stammzellen aus Nabelschnurblut
könnte in Zukunft andererseits auch die Möglichkeiten zu echten
innovativen Therapien eröffnen. Das betonten am Freitag Fachleute bei
einer Pressekonferenz in Wien aus Anlass des 2. Internationalen
Symposiums zu diesem Thema. "Bioaktie ist ein Begriff, der mir sehr gut gefällt. Wenn ich eine
Aktie kaufe, sehe ich mir das Produkt an, ob es entwicklungsfähig
ist", erklärte Univ.-Doz. Dr. Karl-Heinz Preisegger, Grazer
Pathologe, Humangenetiker und Betreiber eines privaten Unternehmens
zur Lagerung von Nabelschnurblut-Stammzellen von Neugeborenen.
Laut Dr. Eberhard F. Lampeter, ebenfalls Betreiber einer solchen
privaten Einrichtung in Leipzig, gibt es jedenfalls bereits
eindeutige Beweise, dass bei manchen Anwendungen von Stammzellen aus
Nabelschnurblut die Ergebnisse besser sind als bei Benutzung von
Stammzellen aus Knochenmark.
Anwendung
Insgesamt allerdings sind die medizinischen eindeutigen
Indikationen für Nabelschnur-Stammzellspenden und deren Anwendung -
derzeit - noch relativ gering. Lampeter: "Die gegenwärtige Anwendung
sind blutbildende Stammzellen nach Hochdosis-Chemotherapie. Da wird
die zehn- bis zwanzigfache Dosis einer normalen Chemotherapie
verabreicht. Das hat zur Folge, dass die Funktion des Knochenmarks
unterdrückt wird. Hier ist man in der Lage, durch die Transplantation
von blutbildenden Stammzellen die Blutbildung wieder zu ersetzen."
So stellt das Nabelschnurblut derzeit zwar eine mögliche Quelle
für Stammzellen dar, laut einer Auswertung der Daten aus Europa für
das Jahr 1999 werden aber derzeit noch rund zwei Drittel der
Stammzelltransplantationen mit "Material" vom Patienten selbst (vor
allem Knochenmark oder aus dem normalen Blut gewonnene Stammzellen),
etwas mehr als 20 Prozent mit Knochenmark oder Stammzellen aus
anderen Quellen von Verwandten und neun Prozent mit Knochenmark aus
Spenderbanken durchgeführt.
Tendenz
Doch das kann sich ändern. Dr. Martin Imhof, Arzt und
Wissenschafter an der Universitäts-Frauenklinik in Wien, zu der
Frage, ob nicht Spenderbanken in Zukunft die individuelle Gewinnung
von solchen Stammzellen ersetzen könnte: "Die Tendenz geht eher zur
autologen Lagerung (Lagerung von Knochenmark- bzw. Stammzellspenden
auch eventuell aus Nabelschnurblut, Anm.)." Durch vom Patienten
stammendes Zellmaterial, das ja genetisch ident sei, könne man auf
jeden Fall Abstoßungsreaktionen bzw. andere immunologische Probleme
vermeiden.
An dem zweitägigen Symposium nimmt auch Alan Colman, einer der
wissenschaftlichen "Väter" des Klonschafs "Dolly", teil. Ein ganz
offensichtliches Problem bei der Gewinnung von Nabelschnurblut von
einem Neugeborenen für dessen folgende Lebensjahrzehnte: Die
Entwicklung der Medizin in diesem Bereich scheint so schnell zu sein,
dass heute als zukunftsträchtig erkannte Konzepte schon in kürzester
Zeit wieder obsolet sein könnten.
(APA)