Wirtschaft
Fiskus plant Umsatzsteuer-Reform ab 2003
Österreichischer Alleingang gegen Vorsteuerbetrug steht bevor
Wien - Im Finanzministerium geht man davon aus, dass
Österreich mit 1. Jänner 2003 ein modifiziertes Umsatzsteuersystem
einführen wird, das den derzeitigen milliardenschweren
"Vorsteuerbetrug" verhindern soll. Da Steuerfragen dem
Gemeinschaftsrecht unterliegen, liegt das Maßnahmenpaket derzeit zur
Prüfung bei der EU-Kommission. Österreich ist zuversichtlich, dass
die Reform der österreichischen Umsatzsteuer (USt) EU-konform ist, da
davon nur österreichische Unternehmen betroffen seien. Ein Vertreter
der EU-Kommission wies Donnerstagabend bei einer Veranstaltung in der
Wirtschaftskammer Österreich darauf hin, dass es vor allem im
Hinblick auf die EU-Erweiterung nicht akzeptabel wäre, würde jeder
Mitgliedsstaat im Binnenmarkt ein individuelles Umsatzsteuermodell
entwickeln.EU-Kommission: Gemeinschaftliche Reform
Die EU-Kommission sei derzeit bestrebt, das zweifellos
unbefriedigende Mehrwertsteuersystem des Binnenmarktes zu
reformieren, sagte Stephen Bill von der EU-Kommission bei der
Veranstaltung der International Fiscal Association in der
Wirtschaftskammer. Grundsätzlich wäre eine gemeinschaftlich
einheitliche Reform zur Eindämmung des Vorsteuerbetrugs gegenüber
nationalen Alleingängen vorzuziehen. Das Ideal einer USt-Verrechnung
nach dem so genannten Ursprungslandprinzip werde als Fernziel wohl
weiter verfolgt, unmittelbar solle aber das bestehende
Mehrwertsteuersystem (Bestimmungslandprinzip) mit Hilfe
elektronischer Rechnungslegung und E-commerce vereinfacht werden.
Michael Kuttin von der Steuersektion des Finanzministeriums
bezweifelte, dass der EU bei der Umsatzsteuerreform der "große Wurf"
(Ursprungslandprinzip) gelingen werde, da Steuerentscheidungen
Einstimmigkeit erfordern. "Wir werden mit dem jetzigen System als
harmonisierte Abgabe weiterleben müssen". Der "Charme" am
österreichischen Reformmodell liege darin, dass davon nur heimische
Unternehmen betroffen wären.
Kuttin: Österreichs Vorschlag berührt nicht EU-Richtlinie
Der österreichische Reformvorschlag greife nicht in das System der
6. EU-Mehrwertsteuerrichtlinie ein, sagte Kuttin. Die beim
Vorsteuerabzug liegenden Systemschwächen wolle Österreich vermeiden,
indem der Vorsteuerabzug de facto abgeschafft wird. Derzeit sei es
möglich, beispielsweise über Scheinfirmen, vom Finanzamt Vorsteuer zu
kassieren, aber für die zugrundeliegende Rechnung keine Umsatzsteuer
abzuführen.
Bei Lieferungen zwischen Unternehmen ist die Umsatzsteuer ein
"Nullsummenspiel". Es werden rechnerisch pro Jahr rund 73 Mill. Euro
(1.000 Mrd. S) an Umsatzsteuer abgeführt, dem Fiskus bleibt aber nach
Vorsteuerabzug nur ein rundes Viertel, sagte Kuttin. Das bedeute
nicht nur für die Unternehmen einen enormen Verwaltungsaufwand,
sondern auch für die Finanzprüfung.
Die USt-Reform zielt in zwei Richtungen. Erstens soll ein
(computergestütztes) Meldesystem den Vorsteuerbetrug bekämpfen,
zweitens sollen die Unternehmen ab 1.000 Euro die Wahlfreiheit
zwischen dem bisherigen oder dem neuen USt-System haben. Künftig
sollen Lieferungen zwischen Unternehmen netto (ohne Umsatzsteuer)
verrechnet werden, die Umsätze und die Vorsteuer aber dem Fiskus
monatlich gemeldet werden, um eventuelle Unregelmäßigkeiten zu
erkennen. Das erfordert für die Unternehmen entsprechende
EDV-Ausstattung (gedacht ist die Nutzung des geschützten
Finanz-Online-Systems von Notaren, Rechtsanwälten und Steuerberatern)
und eine Identifikationsnummer für jedes Unternehmen (UID), die auf
jeder Rechnung anzuführen ist. "Wir ersetzen die bisher unsinnigen
Zahlungsflüsse durch die Meldepflicht, das ist voraussichtlich
EU-konform", sagte Kuttin.
Wirtschaftstreuhänder utnerstütz Konzept
Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder (KWT)
unterstützt das Konzept des Finanzministeriums zur Bekämpfung des
Vorsteuerbetrugs bei der Umsatzsteuer (USt) grundsätzlich. Um
Insellösungen zu vermeiden, sollte Österreich jedoch eine
einheitliche Vorgangsweise mit anderen Mitgliedsstaaten, insbesondere
mit Deutschland, suchen. Zu vermeiden sei jedenfalls, dass im
Binnenmarkt grenzüberschreitend tätige Unternehmer mit bis zu 15
verschiedenen Vorsteuer- und Verrechnungsmodellen konfrontiert
würden. Der geplante Einführungszeitpunkt 1.1.2003 sollte in
Abstimmung mit den Betroffenen nochmals überdacht werden. (APA)