"Man traut dem Auge und entblößt seine Seele": So charakterisierte Inge Morath, die Amerikanerin mit österreichischen Wurzeln, ihre Fotografie, die sie weltberühmt machte. New York - Die selbstbewusste Farbige, die sie in einem New Yorker Frisiersalon aufgenommen hat, die wäre in den 50er-Jahren noch nicht möglich gewesen. Ein Kommentar von Inge Morath, der umreißt, wie sie die Geschichte im Rahmen ihrer Bilder sah - gespiegelt vor allem in Menschengesichtern. Der Welt unverbrauchte Bilder abringen Ein "Lévi-Strauss der Fotografie" wurde die weltberühmte Künstlerin genannt, die der Welt, vor allem ihrer Lieblingsstadt New York, immer wieder neue, unverbrauchte Bilder abrang. Bei Porträts von berühmten Personen suchte sich die quirlige, gertenschlanke und immens charismatische Kosmopolitin nur die Leute aus, "die sie interessieren", seien es Backstage-Fotos von Marilyn Monroe bei den Dreharbeiten zu Misfits oder seien es - in Wien - Friederike Mayröcker und H. C. Artmann. 1923 in Graz geboren, musste Morath als Zwanzigjährige in Berlin während des Krieges Flugzeugteile montieren. Sie floh, dem Selbstmord nahe. "Man hätte nicht erwarten können, dass dieser Krieg (der Zweite Weltkrieg) eine solche Frau formte, aber das hatte er getan", sagte der Schriftsteller Arthur Miller über seine 1962 von ihm geehelichte Frau. Archetypen geschaffen Über den in Wien situierten Sender Rot-Weiß-Rot war Morath via den Fotografen Ernst Haas zur Fotoagentur Magnum nach Paris gekommen, wo sie als Assistentin von Henri Cartier-Bresson endgültig zur Fotografie wechselte. Ihre Arbeiten, die sie u. a. in die Sowjetunion und nach China führten, gingen immer von den Menschen aus, vom Alltäglichen - und häufig schuf sie dabei, wie oft bei großer Fotografie, wahre Archetypen. Ihre ursprüngliche Heimat hat die US-Staatsbürgerin Morath, u. a. 1991 mit dem Österreichischen Staatspreis ausgezeichnet, immer geliebt: "Ich habe nicht lange genug darin gelebt, um sie nicht zu lieben." Die Schau "Inge Morath - Grenzräume", die bei "Graz 2003" als Hommage an die Fotografin gezeigt werden soll, führte sie wieder in die Südsteiermark und nach Slowingraditz (Slowenien), dem Ort ihres Großvaters. Laut Filmemacherin Regina Strassegger habe die Fotografin dort ihre künstlerischen Wurzeln gesehen. Das fertige Projekt zu sehen ist Morath, am Mittwoch in einem New Yorker Krankenhaus einem Krebsleiden erlegen, leider versagt geblieben. (dok, DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 1.2.2002)