Wien - Die Dichte an Politikern aus dem Nahen Osten oder solchen, die sich mit dem Nahen Osten beschäftigen, war in Wien in den letzten Tagen so hoch wie die daraus resultierenden Erwartungen, dass jemand - das heißt der seit Sonntag in Wien weilende UNO-Generalsekretär Kofi Annan - etwas ankündigen könnte, das den Weg aus der Tragödie weisen würde. Von einer neuen UNO-Initiative wurde gemunkelt, konkrete Angaben darüber, dass es so etwas in naher Zukunft geben wird, blieben jedoch am Mittwoch aus.

Annan hatte in Wien am Dienstag klare Worte zugunsten des völlig isolierten Palästinenserchefs Yassir Arafat gefunden. Und der am Mittwoch für wenige Stunden nach Wien eingeflogene Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa, beschwor bei einem gemeinsamen Mittagessen mit Annan und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel die Gefahr eines totalen Abgleitens in die Katastrophe, wenn einer Partei - Israel - hundertprozentig Recht gegeben und freie Hand gelassen und die andere - die Palästinenser - völlig zur Seite geschoben werde, ungeachtet der Hintergründe des Konflikts. Was man dagegen tun könne, sagte auch er nicht.

Annan war tags zuvor mit dem israelischen Linkspolitiker Yossi Beilin, Justizminister unter Ehud Barak, zusammengetroffen, von dem er von der offiziellen israelischen Linie völlig abweichende Position zu hören bekommen haben wird. Beilin hielt im vollgepackten Kreisky-Forum einen programmatischen Vortrag zugunsten des Oslo-Friedensprozesses, zu dessen Initiatoren er gehört. Auch er brach eine Lanze für Arafat als Verhandlungspartner.

Mubarak am Telefon

Aber nicht nur in Wien wird darauf reagiert, dass die USA die Palästinenser fallen lässt. Auch Ägyptens Präsident Hosni Mubarak hat zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder mit Arafat telefoniert; die Ägypter waren verärgert gewesen, dass das im Roten Meer von den Israelis aufgebrachte und für die Palästinenser bestimmte Waffenschiff die Route über den Suezkanal nehmen wollte. In der ganzen arabischen Welt ist der Unmut, dass sich die USA so bedingungslos auf die israelische Seite gestellt haben, groß. Jordaniens König Abdullah II. bekräftigte vor seiner US-Reise seine volle Unterstützung für den Legitimitätsanspruch des gewählten palästinensischen Präsidenten. Saudi-Arabiens Kronprinz und Regent Abdullah hat seinerseits scharfe Kritik an der Nahost-Politik der US-Regierung geübt: "Ich habe große Sorge hinsichtlich Amerikas Glaubwürdigkeit", sagte er. Und auch der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit macht die US-Regierung auf die "absolute Notwendigkeit" einer Nahost-Intervention aufmerksam. Indessen hat die französische Diplomatie einen neuen Plan aufs Tapet gebracht - der jedoch in Israel auf wenig Gegenliebe stoßen dürfte. Zunächst sollte ein Palästinenserstaat anerkannt, danach wieder verhandelt werden, sagte der Pariser Außenamtssprecher Fran¸cois Rivasseau am Mittwoch in Paris. Der Plan sieht auch Neuwahlen in "Palästina" vor. Außenminister Hubert Védrine stellte diese Ideen am Montag bei einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel vor, sie sollen auch bei den Beratungen zur Sprache kommen, zu denen sich am Donnerstag die Nahost-Beauftragten von UNO, EU und Russland mit US-Vertretern in Washington treffen. (guha, AFP, dpa, AP) (DER STANDARD, Printausgabe, 31.1.2002)