Laut Heidegger

„entfaltet die Maschine einen spezifischen Charakter der Dominanz ... eine besondere Art der Züchtigung und eine einzigartige Form gewissenhafter Eroberung.“ Zitat und Zerebralakrobatik Ende. HIER geht es in weiterer Folge nicht um „Eroberung“, „Dominanz“ und „Züchtigung“. HIER wird eine Geschichte über den phantasievollen Umweg und den dynamischen Stillstand erzählt. Es ist die Geschichte des „Zoon mobilikon“ – des Autos und des Menschen, kurz, es ist eine Geschichte über uns.

foto: intersection

„Driver, Passenger, Pedestrian –

We Live In A World Of Cars“. Mit diesem No-Na-Statement eröffnet Dan Ross, Herausgeber von „Intersection“, sein Vorwort und gibt damit den Startschuss zu einer Tour de Force durch die flirrende Welt der „Car Culture“. 200 Seiten und Dutzende GastautorInnen später kommt die Zielflagge. Dann weiß man, was Sache ist. Oder denkt sich, die spinnen. Spinnen bis zum Anschlag.

foto: intersection

Maximillion Cooper etwa.

Name verpflichtet: Der Spross von Ex-Formel-1-Crack John Cooper und hauptberufliche Bonvivant ist Organisator der „Gumball 3000“, „der größten und glamourösesten rollenden Party der Welt“, wie die Sunday Times vermerkt.

foto: intersection/frederike helwig

Seit 1999

lässt Cooper seine „lieben Freunde“ - Filmemacher, Models, Popstars – nach dem Vorbild der Kino-Raser-Klamotte "Cannon-Ball" (Burt Reynolds!) auf die Straßen dieser Welt los. Einzige Regel: Es gibt keine Regel. Strafanzeigen wegen Schnellfahrens werden standesgemäß mit der „Amex Platinum“ beglichen.

intersection/frederike helwig

Schicker Dentalverbau inklusive.

„Intersection“ erzählt dennoch nicht nur die Geschichte des konsequent vorgetragenen Hedonismus.

foto: intersection/frederike helwig

Jarvis Cocker,

luzider danke-lieber-nicht-mehr-Brit-Popper, hat da einen anderen Zugang. Am College, so gibt er zu, wurde er wegen seines Wagens, einem Hillman Imp (ein britischer 70er-Jahre-Skoda, quasi), ziemlich gehäkelt. Den „Pulp“-Mastermind ließ das unbeeindruckt. Kein Hauch von Sublimation in späteren Jahren: Nun fährt er einen „Toyota Town Ace Super Extra“, und das ausschließlich wegen der eingebauten Getränkekühlbox. Könnerkehlen müssen jederzeit erfrischt werden. This is Hardcore, Jarvis.

foto: intersection/rankin

Buckminster Fuller

ist auch einer dieser jenen Besonderen. Fuller war Denker, Visionär ... und ein Gescheiterter. 1927 nahm er sich ein „Year of Silence“ und ging kräftig in sich. Er kam mit der Idee des „Dymaxion“ zurück, einem revolutionärem Gefährt. Hinterachslenkung, Vorderradantrieb, Platz für elf Personen. Der Clou war ein drittes ausfahrbares Rad, um den „Dymaxion“ seitwärts in Parklücken schlüpfen zu lassen. 1933 wurde der Prototyp präsentiert. Er flopte brachialst. Kinderkrankheiten (so hob der Wagen bei über 50 Meilen/Stunde förmlich ab), der medial ausgeweidete Tod eines Testfahrers und die Wirtschaftskrise machten Schluss. Buckminister Fuller erfand den „Geodesic Dome“ und wurde Architektur-Gott.

foto: intersection/nat. automobil museum, reno

Chris Bangle

ist ebenfalls Erfinder. Im Gegensatz zu Fuller muss er sich jedoch nicht allein mit technischen Widrigkeiten herumschlagen. Dafür hat er Freunde bei BMW. Bangle ist dort Chef-Designer. „Intersection“ bat den Briten zum Interview – es wurde ein Philosophikum zum Thema Auto-Design. Der aktuelle 7er ist sein Werk. Das neue X-Coupe sieht er als Fortführung von Manets expressionistischer Malerei. Vergleiche mit der Michelangelos sixtinischer Kapelle werden ebenfalls herangezogen. Bangle: „That´s what I live for.“

foto: intersection/michael danner

Neben exaltierten Menschen

werden in „Intersection“ auch exaltierte Autos porträtiert. Der Gucci Cadillac Seville etwa. Der Karton steht prototypisch für das Aufbäumen der US-Autoindustrie gegen die Ölkrise und die eigene Unfähigkeit. Mickrige 200 „Guccis“ wurden zwischen 1973 und 1979 in den Markt gedrückt. AMC baute dessen ungeachtet einen „Pierre Cardins Javelin“ und einen „Levi´s Gremlin“. Beide ein ästhetischer Super-GAU. Dennoch: „Car Culture“.

foto: intersection/daniel stier

Oder jener Wagen,

in dem 1960 der französische Existenzialist Albert Camus seine irdische Existenz finalisierte. War es ein Fehler am Facel Vega, einem PS-strotzenden Luxus-Coupe, oder ein Fehler des Fahrers, Camus´ Verleger Michael Gallimard, der zu dem verheerenden Unfall führte und beiden das Leben kostete? „Intersection“ begibt sich auf Spurensuche.

illustration: intersection/yorgo tloupas

Bei „Robocar“

bleiben hingegen keine Fragen offen. Wer hat damals, als die Welt noch aus Matchbox-Autos und Playmobil-Mantschkerln bestand, nicht davon geträumt mit „Robocar“ vor der Schule vorzufahren. Mieses Zeugnis? Schlechte Karten für böse LehrerInnen angesichts dieser hochgerüsteten Argumentationshilfe. Leider zu spät hat ein Brasilianer mit seinen beiden Söhnen Traum in Wirklichkeit verwandelt.

foto: www.superrobocar.com

Daneben wirft „Intersection“

einen Blick in diverse Köpfe und Garagen von Designern, Architekten und MotorsportlerInnen ...

foot: intersection/retrosexy
foto: intersection/james dimmock

... nimmt sich aber

auch der Zukunft des Automobils in all ihren denkmöglichen Facetten an.

foto: intersection/neil massey

„Intersection – car culture“

cruist mit diesem Setup souverän an den Klippen platter Boh-Ey-Lifestyle-Reportagen vorbei. Der Band oszilliert zwischen Skurrilitätensammlung und Sozialstudie. Herausgeber Dan Ross: „Rejecting a view of life as a route, rushing as fast as we can, ..., we´re back on the road again, open to its distractions and discoveries, fiddling with the stereo, and enjoying the ride.“ (kommunikaze)

ORDER NOW
www.vobooks.com

„Intersection – car culture“ findet in Kürze in Form von „Intersection Magazine“ seine logisch-periodische Fortsetzung.

LINKS
Intersection Magazine
Gumball 3000
The Buckminster Fuller Institute
Facel Vega
Superrobocar

foto: intersection