Wien - Der Skandal um die niederösterreichische Transportfirma Kralowetz erfasst zusehends die gesamte Frächterbranche: "80 Prozent der Unternehmen in Österreich halten sich nicht an die Gesetze", erklärte etwa Georg Eberl, von der Gewerkschaft Handel, Transport und Verkehr, Dienstag in Wien. Dem "Sozialbetrug" werde kaum etwas entgegengesetzt. Es sei normal, dass Fahrern Entgelt vorenthalten wird und Überstunden nicht bezahlt werden.

"Das größte Manko in Österreich", so Eberl, sei, dass die zuständigen Kontrollstellen nicht vernetzt seien. Exekutive, Pensionsversicherungen, Krankenkassen wurschtelten bei ihren Überprüfungen vor sich hin. Keine Behörde wisse, was die andere tut. In Deutschland dagegen gibt es laut dem Gewerkschafter eine eigene Behörde mit 1200 Mitarbeitern, die sich illegale Beschäftigung kümmern. 240 davon kontrollierten ausschließlich das Transportgewerbe (in Österreich beschäftigen sich 35 Personen damit).

Zweites zentrales Problem ist für die Gewerkschaft die Gesetzeslage. Während in Deutschland sogar unbedingte Haftstrafen auf illegale Beschäftigung von Arbeitnehmern stehen, sei dies in Österreich ein Verwaltungstrafdelikt (wie Falschparken). Durchschnittlich 16.715 Euro (230.000 Schilling) spare ein Unternehmen pro illegal beschäftigtem Fahrer. Das Arbeitsinspektorat bleibe gleichzeitig ohne entsprechende Saktionsmöglichkeiten "zahnlos"; der Strafrahmen bewegt sich bei 727 Euro pro Fall. Eberl: "Diese Bagatellstrafen müssen weg."

Der Fachverband für das Gütertransportgewerbe wies die Kritik der Gewerkschaft am Dienstag vehement zurück: "Wenn sich 80 Prozent nicht an die Gesetze hielten, würde das bedeuten, dass 10.000 Transportunternehmer in Österreich kriminell sind", erklärte der Fachverbandsgeschäftsführer Christian Bauer. Nicht die Strafen, die Rahmenbedingungen müssten besser werden: Die Kfz-Steuer sei zu hoch, das Gewerbe finde kaum qualifizierte Arbeitskräfte.

Die Gewerkschaft wiederum bestreitet dies: Auf 1100 offene Stellen kämen 15.350 arbeitssuchende Kraftfahrer. Bloß: "Von denen will niemand zu den Konditionen der Frächter arbeiten", so Gewerkschafter Eberl.

Einigkeit herrschte immerhin über die demnächst für ganz Europa geplante Fahrercard. Damit sollen Lenker aus Drittstaaten ihre ordnungsgemäße Beschäftigung in einem EU-Staat nachweisen.

In Luxemburg werden inzwischen 170 gestrandete Fahrer von Rotem Kreuz und Caritas betreut; weitere reisen aus Spanien und Frankreich an. Die Luxemburger Behörden haben beschlossen, den vorwiegend osteuropäischen Männer ihre Heimreise zu finanzieren. Sichtvermerk in ihren Pässen soll es keinen geben. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.1.2002)