Wien - Die umstrittenen Benes-Dekrete sorgen weiter für Unmut. Während die tschechische Regierung die Dekrete als "totes Recht" bezeichnet, das laut Außenminister Jan Kavan Bestandteil der tschechischen Rechtsordnung bleibe, aber nicht zur Anwendung komme, fordern führende FPÖ-Politiker weiterhin die Abschaffung der Dekrete. Justizminister Dieter Böhmdorfer erklärte, die Dekrete seien keinesfalls "totes Recht".

Das bestätigt auch Peter Wassertheurer, der wissenschaftliche Leiter im Haus der Heimat, dem Sitz der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Österreich (SLÖ). Laut Wassertheurer würden die Benes-Dekrete weiterhin angewendet. So sei dem Sohn eines vertriebenen Sudetendeutschen im Jahr 2001 mit Hinweis auf ein Dekret aus dem Jahr 1953 das Erbe verweigert worden, erklärt Wassertheurer im Gespräch mit dem STANDARD. Die Tschechische Republik habe die Spareinlagen damals im Rahmen der Währungsreform eingezogen. Es könne aufgrund der Gültigkeit dieses Dekrets also weder die Rückgabe des konfiszierten Eigentums noch eine finanzielle Entschädigung für das Eigentum erfolgen.

Anwendung bei Restitutionszahlungen

"Die Benes-Dekrete werden vor allem bei Restitutionszahlungen angewandt", meint Wassertheurer. So etwa bei einem Fall im Jahr 1999, bei dem eine in Österreich lebende Sudetendeutsche Entschädigung für konfisziertes Eigentum forderte. Die Rückgabe konnte nicht erfolgen, da Restitutionszahlungen bzw. Rückgabe von konfisziertem Eigentum aufgrund der Benes-Dekrete nur bei tschechischen Bürgern möglich sei.

Vor drei Monaten sei es im Fall "Walderode" aufgrund der Erlässe zu einer Mahnung Tschechiens durch die UNO gekommen, auf die bis jetzt jedoch nicht reagiert worden sei. Der Sudetendeutsche Karel Walderode war nach dem Zweiten Weltkrieg entschädigungslos enteignet worden, seine Staatsbürgerschaft konnte er, da er Antifaschist war, jedoch behalten. Zur Zeit des Kommunismus verließ er das Land, bekam die Staatsbürgerschaft nach der Wende wieder. Als er im Jahr 1993 seinen konfiszierten Besitz zurückforderte, wurde ihm dieser zwar zurückerstattet. Durch eine vom damaligen Regierungschef Václav Klaus erwirkte Gesetzesänderung wurde ihm sein Besitz jedoch wieder abgenommen. (jule,derstandard,print-ausgabe,30.1.2002)