Die Europäische Union verlangt von Israel einen Stopp von Angriffen auf Infrastruktureinrichtungen in den Palästinensergebieten, die zu einem großen Teil von der Union finanziert werden. Ein formeller Protest oder gar eine scharfe Kritik, wie das von Vertretern der EU-Kommission am Montag noch vor Beginn des EU-Außenministerrates in Brüssel erwartet worden war, zeichnete sich im Verlauf der Sitzung jedoch nicht ab.

"Es gibt keine Alternative zur Verhandlungslösung", betonte der deutsche Außenminister Joschka Fischer nach einem gemeinsamen Mittagessen der EU-Außenminister. Anders als es die Schlagzeilen der vergangenen Tage vermuten ließen, sehe man sich auch nicht in krassem Widerspruch zur Haltung der USA, die vom Palästinenserpräsidenten Yassir Arafat zuletzt verbal deutlich abgerückt ist.

In Berlin, von wo aus Bundeskanzler Gerhard Schröder noch diese Woche zu einem Besuch bei US-Präsident George W. Bush aufbrechen wird, wird diese Interpretation von einem Bruch der USA mit Arafat offenbar nicht geteilt: In der US-Administration sei derzeit ein Klärungsprozess im Gange, wobei die Frage des Palästinenserpräsidenten noch nicht entschieden sei. Die Europäer verlangen jedenfalls ein stärkeres Engagement der USA im Nahen Osten. Denn nur so sei eine neue Dynamik in der derzeit aussichtslos erscheinenden Lage zu erreichen, hieß es in Brüssel. In der Analyse sei man sich in vielem einig, aber beim weiteren Vorgehen gebe es "Differenzen".

Tenet-Plan und Mitchell-Kommitee für EU maßgeblich

Israel und die Palästinenser werden in einer Erklärung aufgerufen, "alle notwendigen Mittel zu ergreifen, um sofort und ohne Bedingungen" den Tenet-Friedensplan und den Empfehlungen des Mitchell-Komitees nachzukommen - eine Formulierung, die die Union seit langem verwendet.

Für Verärgerung bei einigen wichtigen EU-Ländern sorgte die schwedische Außenministerin Anna Lindt, die in einem Radiointerview die Nahostpolitik der US-Regierung als "dumm" und "wahnsinnig" bezeichnet hatte. Sie sei über die Gleichstellung Arafats mit Terroristen "ausgesprochen beunruhigt", sagte sie.

Österreichs Außenministerin Benita Ferrero-Waldner erklärte zu den israelischen Angriffen auf Einrichtungen der Palästinenser, man werde "deutlich machen müssen, dass die Schmerzgrenze der EU erreicht ist, umso mehr, als die EU-finanzierten Projekte der Linderung der wirtschaftlichen und sozialen Not der Palästinenser dienten, einer wichtigen Ursache für die anhaltende Gewalt".

Arafat und die Palästinenserbehörde werden von der Union aufgefordert, "alles zu tun, um den Terrorismus und die bewaffnete Intifada zu beenden". Die Terrornetzwerke müssten entwaffnet, die Täter des Terrors verfolgt werden.

(DerStandard,Print-Ausgabe,29.1.2002)