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Foto: Reuters/Pascal Volery
Wien - Yossi Beilin, unter Ehud Barak israelischer Justizminister, ist entsetzt über den US-Schritt, die Vermittlungsmission zwischen Israel und den Palästinensern abzubrechen. "Die Entscheidung ist, lasst sie bluten", meint Beilin, der heute zu Gast im Kreisky-Forum ist, "bis sie so weit sind und um unser Engagement bitten." Wenn das Ganze nur eine Bestrafung des "bösen Buben" Yassir Arafat für die Waffenschmuggel-Affäre sein sollte, ist es umso schlimmer, meint Beilin zum Standard, "denn die Bestrafung trifft beide Seiten." Das Resultat eines diplomatischen Rückzugs der USA werde eine weitere Verschlechterung der Lage in der Region sein, mehr Terrorismus und härteres Zurückschlagen der israelischen Regierung unter Ariel Sharon. Und die Gewalt könnte überschwappen, die Islamisten in den gemäßigten arabischen Ländern wie Jordanien und Ägypten stärken. Die Waffenschiff-Affäre bezeichnet Beilin, der Anfang der 90-er Jahre jenen Dialog mit den Palästinensern aufnahm, der später zum Oslo- Prozess führen sollte, als "sehr schlimme Nachricht" für ihn. Er kenne die Details nicht, er wisse nicht, ob Arafat persönlich beteiligt war, aber "es war kein virtuelles Schiff, es war real, und die Waffen waren zum Töten bestimmt". Das könne man nicht so einfach wegwischen. Für ihn sei es vor allem aber ein Symptom für das Abrutschen der Lage - und die wichtigste Frage sei, wie man das nächste Schiff verhindern könnte. Die dritte Partei Die Schritte, die Beilin vorschlägt, klingen so einfach wie - mit den jetzigen Beteiligten - unmöglich. Die Palästinenser müssten gegen Gewalt Stellung nehmen, auch wenn es im Moment keinen politischen Horizont für sie gebe. Und Israel müsse die Bedingungen für Gespräche fallen lassen. Die beiden Seiten dazu zu bringen, das könne nur eine dritte Partei schaffen. Wie sieht Beilin, der ihn so lange kennt, die Rolle Arafats? Werden ihm die Radikalen überhaupt noch folgen, sollte er es wirklich einmal ernst mit dem Antiterrorkampf meinen? Bis jetzt, so Beilin, war Arafat nicht "klar genug", einerseits spreche er von Waffenstillstand, andererseits vom Djihad, er trage beides in sich. Aber nach Arafat könne alles noch schlimmer kommen, er bleibe der Ansprechpartner. Für seine Arbeiterpartei sieht Beilin nur eine Perspektive bei den nächsten Wahlen, wenn sie die Regierung so bald wie möglich verlässt: Jeder Tag mit Sharon vermindere die Chancen. Parteichef Benjamin Ben Elieser habe als Verteidigungsminister nur die Politik Sharons zu exekutieren. Die Tatsache, dass ein Großteil der Israelis heute Sharon zu unterstützen scheint, beunruhigt Beilin nicht: Wie sollen die Leute weiser sein als die zwei großen Regierungsparteien zusammen? Wenn ihnen wieder eine Alternative geboten werde, würden sie diese vielleicht unterstützen. Ein Jahr nach der Wahl Sharons wüssten die Israelis auch, dass dieser, anders als versprochen, keine Sicherheit bringe, abgesehen von der israelischen Wirtschaft, die am Boden liege. Wie wird es weiter gehen, falls keine Wende zum Guten eintritt, wird es so weit kommen, dass Israel die Autonomiegebiete wieder besetzt? Beilin: "Ich sage nicht, dass das morgen passieren wird. Aber hinein- und wieder hinausgehen ist in den letzten Monaten so leicht, so normal geworden, dass eine Wiederbesetzung keine große Revolution mehr auslösen würde. Vor einem halben Jahr wäre das anders gewesen." (DerStandard,Print-Ausgabe,29.1.2002)