Renntag auf dem Champ de Mars nahe der Hauptstadt Port Louis. Ganz oben in der Beletage sitzen in den Logen die Stallbesitzer und Funktionäre - französischstämmige ältere Herrschaften, die Franko-Mauritier. Ihr Anteil an der Bevölkerung beträgt gerade zwei Prozent, sie regieren allerdings 90 Prozent des Vermögens. Eine Etage tiefer, immer noch in gut bewachten Logen, beobachten die Indo-Mauritier, die es zu Reichtum und Ansehen gebracht haben, das Rennen. Sie sind mit 52 Prozent die größte ethnische Gruppe auf der Insel. Unten auf der Wiese, neben der Rennbahn, ist der Platz der Kreolen, die aus Madagaskar oder vom afrikanischen Festland stammen. Sie sind mit 24 Prozent die zweitgrößte Volksgruppe, ihr Einfluss ist allerdings verschwindend gering. Die chinesischstämmige Bevölkerung, etwa zwei bis drei Prozent, dürfte sich wenig für Pferderennen interessieren, sie ist auf der Rennbahn kaum präsent, spielt im wirtschaftlichen Leben aber eine große Rolle. Auch in der Regierung spiegelt sich die ethnische und religiöse Vielfalt der Inselbevölkerung. Der Staatspräsident ist Muslim, der Premierminister Hindu, der Vizepremier Christ. Ein wahres Paradies, eine wahre Trauminsel Mauritius ist eine prachtvolle Insel, die die Bezeichnung Paradies stolz und vor allem zu Recht trägt. Von den vielen Lobpreisungen passt die Beschreibung eines Journalisten wohl am besten: Zeichnen Sie Ihre Trauminsel, es wird immer Mauritius werden. Als Vulkan stieg das Eiland einst aus dem Indischen Ozean - das heißt grüne Berge, tiefe Täler, dunkle Seen, hohe Wasserfälle. In den Niederungen ein paar nette, moderne Städte - mehr kann man auch über die Hauptstadt beim besten Willen nicht sagen -, große Zuckerrohr-plantagen und kleine, ärmliche Dörfer. Das Korallenriff rund um die Insel lässt den an sich schon milden Indischen Ozean zur Badewanne werden, mit Temperaturen von 27 Grad, das ganze Jahr lang. Die langen, breiten Sandstrände sind alle öffentlich zugänglich. Ein buntes Treiben Bevor die Kolonialmächte Holland, England und Frankreich die Insel sukzessive verändert, aber nicht unbedingt verschönert haben, bedeckten Palmenwälder die gesamte Insel. Doch es sind noch immer genügend da. Nur Luxushotels - andere gibt es hier kaum, man hat sich seit langem dem Qualitätstourismus verschrieben - müssen nachpflanzen, um dem Status überbordender tropischer Pracht gerecht zu werden. Mehr braucht man in Sachen Natur nicht zu tun. Allein die verschiedenen bunten Vögel, die die üppigen Buffets der teuren Refugien während des Frühstücks anfliegen, reichten für ein volles Bird-Watching-Programm. Trotzdem bietet sich den Gästen draußen das weitaus spannendere Schauspiel. Auf einer kleinen, sandigen Straße tanzen junge Tamilen auf scharfen Schwertern. Kurz darauf wird man spontan zu einer Hindu-Hochzeit eingeladen, sie dauert drei Tage, man muss nicht so lange bleiben. Bei Sonnenuntergang läuten die Glocken einer kleinen Kapelle zum Abendgottesdienst. Ein Chinese auf dem sehenswerten Markt der Hauptstadt bietet die ultimative Teemischung für alle Leiden an. Der kreolische Chauffeur holt seine Kinder von der Schule, und zusammen singen sie Lieder aus der Sklavenzeit. Es scheint, als würden alle diese Kulturen ineinander passen, jede Religion zelebriert ihre heiligen Tage unter reger Anteilnahme der anderen Glaubensgemeinschaften, somit kommt man hier mühelos auf 13 offizielle und noch viel mehr inoffizielle Feiertage. Aber das Miteinanderleben hat auch seine Grenzen, so wird zwischen den Ethnien kaum geheiratet. ...am Ende auch gewöhnliche Schwierigkeiten Und ein Blick in die Tageszeitungen lehrt, dass diese Trauminsel auch mit gewöhnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Die Tourismuszahlen gehen erstmalig zurück, nicht erst seit dem 11. September. Kleinkriminalität, bis vor ein paar Jahren noch kaum spürbar, nimmt zu, das Zuckerrohr verliert an Wert, Billigproduktionen ausländischer Couture-Labels wandern ab. Eben wurde ein Gesetz verabschiedet, das die Liberalisierung der Telekommunikation einleitet, Mauritius soll zu einer Cyber-Insel werden. Das wird wohl noch dauern, erst 22 Prozent der Bewohner besitzen ein Handy, und der Zugang zum Internet ist die Ausnahme. (Der Standard | Rondo | Susanne Mitterbauer)