Finanzen & Börse
Nachfolge für EZB-Vize
EU-Währungskommissar Pedro Solbes: Neues Land soll ins Direktorium
Wien/Frankfurt/Madrid - Der Luxemburger Notenbankchef Yves
Mersch (52) gilt nach einem Bericht des "Handelsblattes" als Favorit
für den Posten des Vizepräsidenten der Europäischen Zentralbank
(EZB). Das Blatt beruft sich in seiner Freitagausgabe auf Quellen in
den Zentralbanken. Im Gespräch sind auch der österreichische und
belgische Zentralbankchef, Klaus Liebscher (62) und Guy Quaden (56).
Liebscher gilt als fachlich versierter Manager, dem der Konsens über
alles gehe. Er sei aber der älteste der drei Kandidaten, was gegen
ihn ausgelegt werden könnte, schreibt das Blatt heute. Die Chancen
des Österreichers schmälern könnte auch eine vom Handelsblatt
ausgemachte Präferenz für einen "Frankophonen". Der derzeitige französische Vizepräsident Christian Noyer muss
Ende Mai aus dem Amt scheiden. Die Zeitung berichtete, die Regierung
in Paris überlege noch, ob sie erneut einen Franzosen vorschlagen
will.
Der Nachfolger von EZB-Vize Noyer sollte nach den Worten von
EU-Währungskommissar Pedro Solbes aus einem Land kommen, das noch
nicht im EZB-Direktorium vertreten ist.
Frankreich verzichtet
Das französische Finanzministerium stellte zwar gestern klar, dass
Paris bereits offiziell entschieden habe, darauf zu verzichten, einen
französischen Nachfolger für Noyer zu benennen. Inoffiziell heiße es
aber, dass es in französischen Politikkreisen sehr wohl eine
Diskussion darüber gebe, ob Frankreich darauf verzichten soll.
Würde Noyer nicht durch einen Franzosen ersetzt, wäre Frankreich
bis zum Rücktritt von EZB-Chef Wim Duisenberg nicht im Direktorium
der EZB vertreten. Frankreich hatte 1998 von den EU-Staats- und
Regierungschefs die politische Zusage erhalten, den zweiten
EZB-Präsidenten zu erhalten.
Für Paris stehe die Frage der Noyer-Nachfolge derzeit offiziell
nicht an der Tagesordnung, heißt es in der Zeitung weiter. Bis zum
Ausscheiden des Franzosen seien noch fast 5 Monate Zeit, so das
Pariser Finanzministerium. In Paris geht man davon aus, dass die
Noyer-Nachfolge erst beim EU-Gipfel von Barcelona am 15. und 16. März
zu einem Thema unter den Staats- und Regierungschefs der EU wird.
Bei einer Konferenz in Madrid sagte Solbes am Freitag mit Blick
auf die neu entfachte Debatte um die Nachfolge von EZB-Chef
Duisenberg, einzig die Frage der Nachfolge Noyers solle behandelt
werden. "Ich denke, Duisenberg ist für 8 Jahre ernannt worden", so
Solbes gegenüber Reuters. Noyer ist zurzeit einziger Vertreter
Frankreichs im EZB-Direktorium. Seine vierjährige Amtszeit endet am
31. Mai.
Solbes kritisierte die Diskussion um die Nachfolge Duisenbergs.
"Debatten zu eröffnen, die nicht offen sind, hilft in keiner Weise
der Institution (der EZB) oder der Ernsthaftigkeit der Geldpolitik in
Europa", sagte Solbes. (APA)