Von Ljubisa Tosic
Wenn man mit beiden gitarristischen Herren geplaudert hat, kann man durchaus auch auf die These verfallen, ihre Art des Sprechens habe eine Entsprechung in ihrer Art zu spielen. John Scofield kann durchaus phlegmatisch wirken und dann gelassen von der großen, aber auch schwierigen Zeit bei Jazzdirektor-Dirigent Miles Davis erzählen - immerhin musste sich Scofield in der Miles-Band mit Mike Stern duellieren. Miles liebte es, Konkurrenzsituationen herzustellen. Anders John McLaughlin. Er kann auch heute noch fuchtelnd-nervös wirken, wenn er sich an die 60er-Jahre erinnert, da er sein Geld auch mit Werbespotmusik und als Studiomusiker verdienen musste - eine Tätigkeit, die ihn zwar mit Menschen wie Tom "Testosteron" Jones zusammenbrachte, ihm aber, so John, fast um den Ver- stand gebracht hätte. Er wollte ja seine Musik machen. Hier also McLaughlin - ein wortreich agierender Sensibel-Nervöser. Dort ein irgendwie immer verschlafen wirkender Scofield an der Maulfaulgrenze. Ja, und ihr Spiel ist dem nicht unähnlich. McLaughlin ist der Saitenkünstler, der viele Noten braucht, um zu einer Aussage zu gelangen. Scofield das Gegenteil: Mit wenigen Noten bringt er Klanggedanken auf den Punkt. Es ist natürlich eine Frage des Geschmacks, was man mehr schätzt. Es handelt sich schließlich hier um zwei Ästhetiken, und beide haben ihre Berechtigung. Und natürlich muss man sie immer im Kontext jener Musikstile sehen, in denen sie sich verwirklichen. Das ist bei McLaughlin, der unlängst seinen 60. Geburtstag feierte, zurzeit die Fusion indischer und jazziger Musik, die sich im Bandnamen Shakti verwirklicht hat. So heißt nun auch die Jubiläumsbox, die auf ganzen 6 CDs ( Universal ) McLauhlins Arbeit der letzten Jahre porträtiert. Shakti gab es schon in den 70er-Jahren. Die Band stand und steht für eine so meditative wie wilde Musik, die im Lotussitz ausharrende Männer zelebrieren. Endlose melodische Beschwörungslinien und wahnwitzige Unisoni gehören zur Grundausstattung des Stils, der so in Bereiche der Ekstatik vordringt. Eben dadurch legitimiert sich McLaughlins Virtuosität und Notenüberproduktion. Hatte er einst allerdings eine für ihn gebaute akustische Gitarre in Händen, die dem Sound der Sitar nahe kam, wird hier alles auf der E-Gitarre angerichtet. Nach wie vor sind aber lange Kompositionen en vogue, sie sind ja wichtig, um den Spieler in die richtige Trance-Verfassung zu bringen. Auch Scofields Neuheit Überjam ( Universal ) beginnt zufälligerweise mit indischen Anklängen. Aber das ist flugs vorbei, funkig greift die E-Gitarre ein, und man steht wieder vor jener groovenden Welt, die Scofield seit seinem Hit A Go Go aufsucht. Der "Slowhand" des Jazz liegt auch wieder in der Hängematte der Improvisation und gibt sich sparsam. Dass er meint, dies wäre jene CD, die Miles Davis, seinem Mentor, am besten gefallen hätte, hängt damit zusammen, dass Scofield hier einen aktuellen Trend der Elektronik in seine Welt integriert und sich hier als wacher Zeitgenosse outet. Bei McLaughlin - und das ist auch ein kleiner Unterschied zwischen John und John - dominiert zurzeit die Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit. Man würde sich von McLaughlin indes auch einmal ein Statement zur musikalischen Gegenwart wünschen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25. 1. 2002)