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Foto: Reuters/Danilo Krstanovic
Wien - Der Weg vom Virtuosen zum Interpreten ist mitunter weiter, als man denkt. Maxim Vengerov geht ihn - vom globalen Applaus begleitet und Signierstunden absolvierend - schon ein Weilchen. Und die Richtung stimmt. Als Advokat der großen Geste, der seelenvollen Kantilene und einer messerscharf eingesetzten Technik ist er vor allem aber der Tenor unter den juvenilen Wundergeigern (Jahrgang 1974) der Gegenwart. Die Lust an der eigenen motorischen Überbegabung ermöglicht zusammen mit einem metallisch singenden Ton die Belebung des Rollenfachs "romantischer Virtuose". Vengerov weiß allerdings auch, dass es da noch etwas anderes geben müsste. So scheint er zu ahnen, dass er mit der Ästhetik des Überschwangs bei Mozart nicht viel auszurichten vermag. Das ist schön gefühlt. Andererseits fehlt es dann im Musikverein an einem ästhetischen Gegenentwurf, der über eine werkdienlich gemeinte Selbstverleugnung gehen würde. Da hört man dann bei Mozarts Sonate für Klavier und Violine B-Dur (KV 454) im Largo zerbrechlich-herbe Töne, aber eben auch Vengerovs seltsame Behutsamkeit, die an Selbstkasteiung grenzt und dort, wo Leichtigkeit angebracht wäre, Noten nur putzig erscheinen lässt. Das wirkt dann ziemlich leblos und harmlos und mitunter verkrampft lustig. Der Weg vom Virtuosen zum Interpreten... Später ein anderes Problem: Vengerov hat in Vag Papian nämlich einen Begleiter, der es mit Selbstkontrolle wiederum nicht so genau nimmt und etwas zu viel Raum beansprucht. Eine dialogische Anlage von Schuberts Fantasie C-Dur (D 934) in Ehren - selten hat man einen vom Klavier so bedrängen und punktuell erstickten Geiger gehört. Sehr erschwerte Arbeit an der Nuance. So musste man bis Richard Strauss' Klavier-Geigen-Sonate Es-Dur (op. 18) ausharren, um Stilsicherheit und Homogenität zu erleben. Der schön-plakative Rest? Kreisler und Brahms, zauberhaftes Singen in hohen Lagen, makellose Linearität, Exaktheit und verschwenderischer Ausdruck. Gäbe es die Tradition, Zugaben spontan zu kaufen, es wären sicher noch einige Hundert-Euro-Scheine auf die Bühne geflattert. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24. 1. 2002)