Steilvorlagen aus dem Norden: Die FPÖ kann sich zum Auftakt ihrer nächsten Kampagne, der 431. Auflage der Benes-Dekret-Debatte in Österreich, über Milos Zemans Verbalattacken gegen die Sudeten freuen. Noch mehr aber darf sie jubilieren, weil sich auch die bayerische Sudeten-Schutzpartei CSU vom tschechischen Premier hat provozieren lassen.Zeman hatte bei seinen Ausfällen gegen die Vertriebenen wohl nur die ewig unzufriedenen Sudetenösterreicher im Visier - deren neue Heimat hat auch 56 Jahre nach dem Krieg und zwölf Jahre nach dem Ende des Kommunismus kein rationales Verhältnis zu Tschechien gefunden. Die Sudetendeutschen aber hatten sich schon 1997 unter dem Druck von Helmut Kohls Bundesregierung mit einer friedlichen Koexistenz neben Tschechien abgefunden. Auch der Sudeten-Schutzpatron, die Bayerische Staatsregierung, saß mit im Boot. Doch Zemans "Landesverräter"-Aussage hat nun den CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Michael Glos, auf den Plan gerufen: "Mit einem solchen Geist kann man nicht in die EU eintreten", sagte er mit Blick auf den Prager Premier. Ein klassischer Fall von politischem Kollateralschaden für Tschechien also. Allerdings muss Prag sich vor Berliner Blockaden bei den EU-Beitrittsverhandlungen nicht fürchten. Aus drei Gründen: Erstens einmal wird ein Premier Zeman ohnehin nicht der EU beitreten - er tritt bald ab. Zum Zweiten kann CSU-Chef und Kanzlerkandidat Edmund Stoiber keinen Kurs gegen Tschechien fahren: Damit würde er zwar 300 sudetendeutsche Wähler dazugewinnen, aber 300.000 Wähler in der politischen Mitte verlieren. Drittens: In der EU ist es nicht ungewöhnlich, dass Mitgliedstaaten alte offene Rechnungen mit neuen Partnern haben. Stichworte: Gibraltar, Südtirol. Oder Hitlers Angriffskrieg. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 23.1.2002)