Straßburg/Wien - Mit Peter Schieder besetzt nun neben Generalsekretär Walter Schwimmer ein zweiter Österreicher ein Spitzenamt des Europarats. Der 60-jährige SPÖ-Nationalratsabgeordnete Schieder wurde am Montag in Straßburg zum Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung gewählt.DER STANDARD: Ist es nicht sehr ungewöhnlich, dass jetzt zwei Österreicher im Europarat wichtige Ämter bekleiden? Schieder: Beide sind es nicht deshalb geworden, weil sie Österreicher sind, sondern weil sie vorher in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats engagiert waren. Die Situation war im Vorfeld meiner Wahl sicher ein Hindernis, aber das war nicht gegen Österreich gerichtet, sondern nur gegen die doppelte Vertretung eines Landes. DER STANDARD: Wie aktiv können Sie neben Ihrem neuen Amt noch im Nationalrat sein? Schieder: Ich werde meine Funktion als Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses weiter ausüben. Ansonsten muss ich mich natürlich etwas zurückziehen. DER STANDARD: Hat der Europarat auch nach der EU-Osterweiterung noch eine Zukunft? Schieder: Der Europarat wird auch trotz der EU-Erweiterung eine Rolle spielen. Wir haben 43 Mitglieder und es könnten noch drei oder vier hinzukommen. Es wird nicht möglich sein, dass die Länder, die nicht der EU beitreten, auf der parlamentarischen Ebene nur eine Vorzimmerposition in Europa bekommen. Es bleibt der Druck, etwas Gesamteuropäisches zu haben. DER STANDARD: Aber was bringt das für die Mitgliedstaaten? Schieder: Wenn ich mir die Parlamentarier anschaue: Mit Distanz zum Zuhause neigt man dazu, in manchen Fragen fortschrittlicher zu sein. Sogar in Ländern, wo es noch an Verständnis für die Roma fehlt oder bei der Nichtdiskrimierung von Lesben und Schwulen, ist hier in Straßburg die Bereitschaft größer, in Empfehlungen einen Schritt weiter zu gehen. Das wirkt dann als Europarat-Beschluss wieder zurück in die Länder und hilft, Fortschritte gerade bei Freiheitsrechten zu erreichen. DER STANDARD: Stichwort Kärntner Ortstafeln und Minderheitenkonventionen im Europarat ... Schieder: Ich möchte es allgemein sagen: Österreich wird sich überlegen müssen, wie es stärker internationale und europäische Dinge einhält. Das Problem liegt nicht so sehr bei den Konventionen. Das Problem ist in Österreich - wie auch in anderen Staaten -, ob die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sofort befolgt und umgesetzt werden. Und da gibt es auch in Österreich ein Manko. Außerdem ist das nicht nur wichtig für unser eigenes rechtshygienisches Verhalten, sondern auch, um den Staaten im Osten und auf dem Balkan ein Beispiel zu geben, in denen noch Änderungen und Demokratisierungen durchzubringen sind. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 22.1.2002)