Baltimore - Der geheimnisvolle Fremde hat die Anhänger von Edgar Allen Poe auch in diesem Jahr nicht enttäuscht: Ein schwarz gekleideter Mann besuchte das Grab des Schriftstellers in Baltimore am frühen Morgen seines 193. Geburtstags. Zurück ließ er drei rote Rosen und eine halbe Flasche Cognac. Das Ritual wird in dieser Form seit 1949 befolgt - damals jährte sich der Tod Poes zum 100. Mal. In diesem Jahr wartete eine Gruppe von Poe-Liebhabern in eisiger Kälte auf den Unbekannten, der am Samstagmorgen kurz vor 03.00 Uhr auftauchte. Im vergangenen Jahr hatte der mysteriöse Mann ein Gedicht hinterlassen, in dem er das Footballteam der Baltimore Ravens beleidigte, und damit für einen Eklat gesorgt. "Meine Theorie ist, dass er nach dem Aufruhr im vergangenen Jahr gedacht hat, er will lieber der Tradition folgen und keinen Ärger machen", sagte der Kurator des Edgar-Allen-Poe-Museums, Jeff Jerome. Ritual Von der Westminster-Kirche aus sahen Jerome und 15 geladene Gäste, wie der Fremde Poe seine Verehrung erwies. "Es schien ein jüngerer Mann zu sein", sagte Jerome, der das Ritual schon seit 20 Jahren verfolgt. "Er stand aufrecht und ging schnell." Mit einem geheimen Signal gab der Mann Jerome zu verstehen, dass er tatsächlich der jährliche Gast ist. Die drei Rosen stehen für Poe, für seine Frau Virginia und seine Tante Maria Clemm, die dort nebeneinander begraben liegen. Die Bedeutung des Cognacs ist unklar, weil dieser in keiner der Geschichten Poes eine Rolle spielte. Poe schrieb Komödien, Detektivgeschichten und Abenteuererzählungen. Bekannt wurde der Meister der Kurzgeschichte jedoch mit seinen romantischen Schauergeschichten wie "Der Untergang des Hauses Usher", "Das Fass Amontillado" und "Grube und Pendel". Poe wurde 1809 in Boston geboren und zog später nach Baltimore, wo er 1849 im Alter von 40 Jahren starb. (APA/AP)