Bogotá/Wien - Die wiederaufgenommenen Friedensgespräche verliefen "sehr herzlich", ließen Mittwochabend Vertreter der kommunistischen Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) und der kolumbianischen Regierung wissen. Für Donnerstag wurde bereits die zweite Gesprächsrunde angesetzt.Bis Sonntag haben die Farc Zeit, einem Waffenstillstand und einem Ende der Entführungen zuzustimmen. Dann läuft die offizielle Frist für das der Guerilla zugestandene Autonomiegebiet ab. Kommt es zu einer Einigung, werde die Zone verlängert, versprach Präsident Andrés Pastrana. "Sie muss verlängert werden, alles andere wäre Selbstmord", analysiert der Politologe und Historiker Gonzalo Sanchez. Wenngleich sich die Friedensgespräche schon lange nicht mehr um Frieden für Kolumbien, sondern nur noch um Freilassungen von Entführten drehten. Mit dem Erstarken der rechtsgerichteten Paramilitärs sei es zu einer Entideologisierung und Polarisierung des Konflikts gekom-men, erklärt der Gewaltforscher an der Universität Bogotá dem STANDARD. Den Farc gehe es nicht mehr um Gerechtigkeit und Marx, sondern um Macht und Kapital. Dieselben Ziele verfolgten die Paramilitärs. Beide Gruppen versuchen laut Sanchez, die großteils noch immer bettelarme Zivilbevölkerung mit Waffengewalt auf ihre Seite zu bringen, um als starke militärische Macht einen Großteil des Landes zu kontrollieren. Werde das Autonomiegebiet der Farc, der größten und stärksten Rebellen-Gruppe, nicht verlängert, käme es jedenfalls zu einem Blutbad. Die laufenden Anstrengungen der Regierung, mit US-Unterstützung die Kokaplantagen der Farc zu zerstören und den Rebellen damit den Geldhahn abzudrehen, hält der Po-litologe für zwecklos: "Entweder es entstehen neue Plantagen, oder die Umsatzeinbußen werden über eine Preiserhöhung abgefangen. Oder es gibt wieder mehr Entführungen." Außerdem gebe es Hinweise darauf, dass die Farc auf andere Rohstoffe umsatteln könnten, sollte das Drogengeschäft zu schwierig werden. "Angeblich sind Minenarbeiter aus Brasilien angeheuert worden, um Goldvorkommen an der kolumbianisch-brasilianischen Grenze abzubauen", berichtet der ehemalige Guerillero Sanchez, der vor Jahren mit anderen Intellektuellen wie Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez die Farc verlassen hatte. Aber auch die Paramilitärs könnten gut vom Drogenhandel und anderen Verbrechen leben, zudem erhielten sie laut Sanchez Finanzhilfe aus dem Ausland, "von rechten Organisationen". Nicht so die Farc, die seien viel zu "national", duldeten kaum Einmischungen aus dem Ausland. Daher führe auch eine verstärkte politische und militärische Intervention der USA, die die Guerilla-Gruppen und Paramilitärs auf ihre Terrorliste gesetzt haben und Kolumbiens Regierung mit Geld und Waffen ausstatten, nur zur Verschärfung des Konflikts. Eine Lösung sieht Sanchez nur in einer wirtschaftlichen und sozialen Intervention seitens der EU: "Wir brauchen einen europäischen Marshall-Plan." Erst wenn die sozioökonomische Situation entsprechend sei, könne an einen dauerhaften Frieden gedacht werden. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 18.1.2002)