Wien - Die Unmenschensprache der Nationalsozialisten verhüllt die Gesinnung mit zwei verschiedenen Faltenwürfen. Der technokratisch-geschäftsmäßige verbirgt die Mordpläne hinter dem Jargon einer zielgerichtet zweckrationalen Ausnüchterung. Wer die Protokolle der "Wannsee-Konferenz", die sich am 20. Jänner zum sechzigsten Mal jährt, wieder liest, stößt allerorts auf Zeugnisse einer planmäßigen Verdinglichung der Opfer: "Durch natürliche Verminderung" sollen die Bevölkerungszahlen im jüdischen Getto gesenkt werden; man "lässt Unterversorgung eintreten"; das Generalgouvernement bedürfe einer "demographischen Entlastung" - und so weiter. Die gemütvolle Seite der Massenvernichter, das alltagsmenschliche Gepräge ihrer verödeten Seelen, trat erst später an das Licht der Nachkriegsöffentlichkeit. Die autobiografische Rechtfertigungsschrift von Auschwitz-Lagerleiter Rudolf Höß mit dem großsprecherischen Titel Meine Psyche - Werden, Leben und Erleben versammelt Zeugnisse einer bestürzenden "Banalität des Bösen": "In Höß' Schrift, die er für das polnische Gericht abgefasst hat, tritt eine quälend banale Normalität hervor", erklärt Rundfunkjournalist Peter Huemer, der bewusst Hannah Arendts Diktum wieder aufnimmt: "Zugleich darf man nie vergessen, dass dieser Mensch ein Monstrum war." Huemer zeichnet für einen Rezitationsabend im Akademietheater verantwortlich, wobei Erwin Steinhauer Höß die Stimme leiht: Der Mörder rekapituliert seine treudeutsche Jugend als Hosenmatz und Tierliebhaber; noch im Zusammenhang seiner KZ-Tätigkeit lobt er das praktische Geschick seiner Frau als Ziergärtnerin, die hinter den Baracken ein "kleines Blumenparadies" errichtet habe. Huemer, der bereits in den frühen 60ern auf das Dokument gestoßen war, hat den Abend bereits am Berliner Ensemble und in Salzburg gezeigt: "Die Reaktion ist immer dieselbe: Die Zuhörer bleiben wie gelähmt sitzen. Kaum, dass einer die Hand zu rühren wagt." Steinhauer lese das Textkonvolut "mit spitzen Fingern": Das sei auch die einzige Möglichkeit, der Überwältigung durch den Ekel zu wehren. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17. 1. 2002)