Am kommenden Wochenende sollte US-Nahostbotschafter Anthony Zinni nach den ursprünglichen Plänen wieder im Nahen Osten landen, um den sich bis vor kurzem abzeichnenden Trend zur Beruhigung für eine weitere Vermittlungsrunde zu nützen - inzwischen ist es den Amerikanern aber offenbar wieder zu brenzlig geworden. Nach einer Anschlagserie, durch die von Montag bis Mittwoch vier Israelis getötet wurden, scheint man beinahe wieder auf den aussichtslosen Punkt zurückgefallen zu sein, an dem man vor Yassir Arafats Waffenstillstandsaufruf Mitte Dezember gehalten hatte. Mit der überraschenden Verhaftung von Ahmed Saadat, dem Chef der radikalen Gruppe PFLP, wollte der Autonomievorsitzende offenbar die USA und die Israelis beschwichtigen, handelte sich aber sofort wütende Proteste im eigenen Lager ein.

Im nördlichen Westjordanland wurde gestern ein Araber aus Ostjerusalem, der in einem israelischen Auto unterwegs war und offenbar für einen Juden gehalten wurde, erschossen, am Abend davor war nördlich von Jerusalem eine 47-jährige Frau, die an einer Tankstelle gehalten hatte, von zwei Palästinensern durch Gewehrsalven aus kurzer Distanz ermordet worden. Stunden zuvor war ein 71-jähriger Israeli im Raum Bethlehem entführt und erschossen worden. Offiziell blieben die Palästinensische Behörde und Arafats Fatah-Bewegung dabei, dass der Waffenstillstand noch gelte, doch für die beiden Anschläge am Dienstag haben die "Al-Aqsa-Brigaden", ein bewaffneter Flügel der Fatah, die Verantwortung übernommen.

In Hinterhalt gelockt

In Ramallah, in Gaza und bei Bethlehem demonstrierten Palästinenser für die Freilassung Saadats, der offenbar in einen Hinterhalt gelockt worden war - er wurde vor einem Hotel festgenommen, wo eine Aussprache mit einem Funktionär der Palästinensischen Behörde stattfinden sollte. Israel forderte seit langem Schritte gegen Saadat, weil er den Auftrag zur Ermordung des israelischen Tourismusministers Rehavam Seevi im Oktober gegeben haben soll - Regierungssprecher unterstellten Arafat aber, er wolle bloß die "Politik der Drehtüren" fortsetzen - in den letzten Wochen haben die Palästinenser zwar Dutzende Verhaftungen gemeldet, doch von Strafverfahren oder Verurteilungen ist nichts bekannt. (DerStandard,Print-Ausgabe,17.1.2002)