Netzpolitik
CD-Kopierschutz - Eigentor der Musikindustrie?
"Kostenloses Kopieren ist eine Katastrophe"
Einen Umsatzrückgang von bis zu
15 Prozent musste die deutsche Musikwirtschaft im vergangenen
Jahr verkraften und macht dafür vor allem das private Brennen
von CDs verantwortlich: Schließlich seien 2001 erstmals mehr
Musik-CDs kopiert als fertig bespielte im Handel verkauft
worden, heißt es beim Bundesverband der Phonographischen
Wirtschaft. Mit der Einführung kopiergeschützter CDs ziehen
viele Musikkonzerne nun die Konsequenzen. Doch was die Branche
als berechtigte Selbstverteidigung eines gebeutelten
Industriezweigs sieht, könnte nach Ansicht von
Verbraucherschützern auch zum Eigentor werden.Mehr Schwierigkeiten
"Die Plattenfirmen handeln sich damit mehr Schwierigkeiten
ein, als sie ahnen", sagt Herbert Noll von der Zeitschrift
"test" der Stiftung Warentest. Die kopiergeschützten CDs sollen
nach dem Willen der Musikindustrie auf Computer-Laufwerken nicht
mehr abspielbar sein, weil sie von dort aus auf billige
CD-Rohlinge kopiert werden können. Doch Noll zufolge kann es
auch auf anderen Geräten Probleme geben: "Vor allem Autoradios
und viele DVD-Spieler sind mit Computerlaufwerken ausgestattet,
die diese Discs nicht einmal annehmen", sagt Noll. "Die Kunden
dürften der Plattenindustrie mit Reklamationen die Türen
einrennen."
Nur vereinzelte Beschwerde
Bisher gab es nach Angaben der Musikindustrie und auch des
Handels allerdings nur vereinzelte Beschwerden: "Da haben schon
einige Kunden reklamiert oder umgetauscht", ist in verschiedenen
Filialen großer Musikketten zu hören. "Beim
Bundesverband der
Phonographischen Wirtschaft
direkt gingen erst vier berechtigte
Beschwerden" ein, sagt Verbandssprecher Hartmut Spiesecke. In
der Branche wird die Zahl der Reklamationen auf insgesamt etwa
1000 geschätzt und angesichts von bis zu sieben Millionen
verkauften Kopierschutz-CDs als verschwindend gering bewertet.
Tür und Tor
"Aber auch dem Missbrauch sind Tür und Tor geöffnet", sagt
Noll von der Stiftung Warentest weiter. So hätten unlautere
Musikfans längst herausgefunden, wie sie den Kopierschutz
knacken können. "Die geschützten CDs können also gekauft, mit
speziellen Programmen doch kopiert und dann als Reklamation ins
Geschäft zurückgebracht werden", sagt Noll. "Schließlich laufen
kopiergeschützte Platten nicht auf jedem Spieler." Und es sollen
sich auch schon so genannte Kopierkreise etabliert haben. In
denen würden die Kosten für CDs umgelegt und die Scheiben dann
kostengünstig für jedes Mitglied kopiert.
Tipps
Selbst renommierte und weit verbreitete Zeitschriften geben
inzwischen ausführliche Tipps, wie der Kopierschutz ausgehebelt
werden kann. Doch gerade für jene, die diesen Umweg nicht nutzen
wollen, könnten die neuen CDs nach Einschätzung von
Verbraucherschützern zum Ärgernis werden. "Es war bisher einfach
üblich, dass CDs kopiert werden können", sagt Jürgen Schröder,
Jurist bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
Eigentlich müssten die kopiergeschützten CDs billiger sein als
die nicht veränderten. Schließlich bezahle der Verbraucher beim
Kauf von CD-Rohlingen und -Brennern eine Gebühr, mit der die
Urheberrechte beim Kopieren abgegolten werden. Und das Kopieren
für den privaten Gebrauch sei nun einmal erlaubt.
Doch diese Ausnahme vom Urhebergesetz, nach dem
Rechte-Inhaber eigentlich jede Vervielfältigung ausdrücklich
genehmigen müssen, ist nach Ansicht von Experten nicht mehr
eindeutig. Schließlich sei es noch nicht höchstrichterlich
entschieden, ob die vor Jahrzehnten geschaffene Ausnahmeregelung
auch auf das digitale Zeitalter übertragbar sei, sagt der auf
Urheberrecht spezialisierte Anwalt Stefan Ventroni. "Der
Gesetzgeber konnte 1965 nicht ahnen, dass es durch das
CD-Brennen einmal Eins-zu-Eins-Kopien ohne Qualitätsverlust
geben würde." Auch stünden die Folgen durch das Kopieren mit den
damals gängigen Tonbandgeräten in keinem Verhältnis zu den
Folgen des digitalen CD-Brennens.
"Kostenloses
Kopieren ist eine Katastrophe"
Ähnlich sieht es auch die Musikbranche: "Kostenloses
Kopieren ist eine Katastrophe für alle, die Arbeit in solche
Produkte stecken", sagt Spiesecke vom Branchenverband Phono. Der
Kopierschutz sei zwar vielleicht kein Patentrezept, aber
sehenden Auges vor dem Abgrund zu stehen, sei auch keine
Alternative. "Unsere Kunden lieben uns nicht für den
Kopierschutz, aber sie verstehen uns", sagt Spiesecke. (Reuters)