Die Europäische Kommission hat am Dienstag das im vergangenen Dezember vorgelegte österreichische Stabilitätsprogramm bewertet und als konform mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU befunden. Sie empfiehlt dem Rat der EU-Finanzminister, das Programm zu akzeptieren.Nach dem Programm wird Österreich - wie schon im Vorjahr - auch in den Jahren 2002 und 2003 ein ausgeglichenes Budget, das sprichwörtliche Nulldefizit, erreichen. 2004 soll es erstmals seit Jahrzehnten zu einem Überschuss von 0,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) kommen, der im Jahr 2005 auf 0,5 Prozent des BIP leicht steigen wird. Die Kommission zeigt sich mit den österreichischen Daten durchaus zufrieden. Das ausgeglichene Budget sei 2001 früher als geplant erreicht worden. Österreich erfülle damit eindeutig die im Stabilitätspakt 1997 beschlossenen Kriterien, da auch die gesamtstaatliche Verschuldung bis 2005 kontinuierlich auf 52,1 Prozent des BIP (erlaubt wären 60 Prozent) abnehmen soll (vgl. Tabelle). Kein Anlass für Jubel Anlass für allzu überschwänglichen Jubel bietet die Bewertung aber dennoch nicht: Denn die Kommission vergisst auch nicht, darauf hinzuweisen, dass das Nulldefizit durch ein dramatisches Ansteigen der Steuerbelastung erkauft wurde. 2001 betrug die Steuerlast nach Angaben der EU-Kommission in Österreich 47 Prozent, "ein Wert deutlich über dem Durchschnitt der 15 EU-Länder". Mit plus zwei Prozent war der Anstieg der Steuerlast im Jahr 2001 zudem im Vergleich mit allen anderen EU-Ländern am stärksten. Ein Vergleich mit den Stabilitätsprogrammen anderer kleinerer EU-Länder zeigt darüber hinaus, dass Österreich auch mit dem Nulldefizit am Ende der Tabelle liegt. Die Niederlande etwa weisen in jedem Jahr von 2000 bis 2005 einen Budgetüberschuss von zumindest einem Prozent aus. Für Luxemburg wird heuer ein Plus von 2,8 Prozent erwartet, Finnland erwartet einen Überschuss von 2,6 Prozent und Schweden gar einen von 3,3 Prozent des BIP. Wachstum schrumpft Die Budgetprognosen für Österreich beruhen dabei auf Wachstumserwartungen von 1,3 Prozent heuer und 2,4 Prozent im kommenden Jahr. Erstaunlich ist, dass die gegenüber dem vorjährigen Stabilitätsprogramm (vom November 2000) von 2,7 auf 1,3 Prozent gesunkene Wachstumsprognose für 2001 nichts an den erwarteten Budgetergebnissen geändert hat: Auch die Kommission glaubt also an das Nulldefizit trotz halbiertem Wirtschaftswachstums. Für den Zeitraum des Stabilitätsprogramms, also von 2001 bis 2005, nimmt die Kommission ein Wachstum von 2,25 Prozent an - ein Wert, der über dem Durchschnitt der Euroländer liegt. In ihren Empfehlungen rät Brüssel dem Finanzminister, möglichst bald für eine Entlastung der Arbeitseinkommen zu sorgen, warnt aber davor, vom Budgetsanierungskurs abzuweichen. Aufgrund der raschen Alterung der Bevölkerung müsse Österreich sich auf starke finanzielle Belastungen in naher Zukunft einstellen. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.1.2002)