Wien - Die Frau Vizekanzlerin trug nach dem Ministerrat am Dienstag eine geschwollene Backe. Doch die sei vom Vortag, betonte Susanne Riess-Passer, und rühre von einer zurechtgestutzten Zahnwurzel, welche ihr mehr Schmerzen bereite als die Aussagen ihres Ministerkollegen Ernst Strasser (VP).

Der Innenminister habe sich beim Ministerrat nicht mehr erinnert, den Begriff des Zurechtstutzens als einen der "Baumschule" entlehnten bezeichnet zu haben, meinte Riess-Passer. Womit Strasser sich am Montag jedoch auf den Kärntner Landeshauptmann bezogen hatte und nicht auf das dentale Malheur der Vizekanzlerin.

Jedenfalls, so Riess-Passer launig, sei Strasser wohl ein wenig vom "roten Plüsch" seiner Umgebung beeinflusst gewesen, als er sich bei einer Diskussion im noblen Zigarren-Club über Haiders "intolerable" Wortwahl in dessen Kritik am Verfassungsgerichtshof (VfGH) empörte. Da sich Strasser nun an seine eigenen Worte nicht mehr erinnere, sei vereinbart worden, "dass man sich das Ganze nochmals gemeinsam auf Band" ansehe, sagte Riess-Passer. Strasser selbst wollte sich zu seiner Kritik an Haider nicht mehr äußern. Er habe am Montag "klipp und klar gesagt, was Sache ist".

Sollte nicht einreißen

Dabei wollte es FP-Klubchef Peter Westenthaler nicht belassen. Strassers Aussagen huldigten einem "Stil, der zwischen Koalitionspartnern nicht einreißen sollte", gab sich Westenthaler vor dem Ministerrat streng. Er, Westenthaler, frage sich, was Strasser "im Bierzelt noch drauf hat", wenn er in einem Ambiente wie dem Zigarren-Club solche Worte finde.

Nationalratspräsident Heinz Fischer (SP) suchte dagegen die Debatte um den VfGH wieder in politischere Bahnen zu lenken. Natürlich müssten "kritische Analysen an VfGH-Erkenntnissen" erlaubt sein, leitete Fischer sein "uneingeschränktes Bekenntnis zum VfGH, der Verfassungsgerichtsbarkeit und den am VfGH tätigen Richtern in der Gesamtheit" ein. Aber er wende sich gegen die "Verächtlichmachung eines Urteils als vorgezogenen Faschingsscherz" und empfinde "die Beschimpfung des Präsidenten als unwürdiges Verhalten", so Fischer. Haiders Aussagen seien "in aller Deutlichkeit in die Schranken zu weisen". Der VfGH sei unverzichtbar, die Bestellung seiner Richter "ein im Prinzip europareifes und gutes System". Eine Verfassungsänderung "jetzt hinsichtlich der Bestellung der VfGH-Mitglieder als Anlassgesetzgebung kann ich mir nicht vorstellen", sagte Fischer.

VfGH-Präsident Ludwig Adamovich bemüht unterdessen einen historischen Blick auf den Kärntner Ortstafelstreit. Der sei "eine höllische Geschichte", meinte Adamovich im Falter: "Es ist ein besonderes Völkchen dort." Seit 1848, seit die nationale Idee eine Rolle spiele, "gibt es dort Zores: Da sind immer die Fetzen geflogen." Dass Haider so agieren könne, habe seinen Grund in der breiten Unterstützung "auch durch SP-Bürgermeister". (kob,derstandard,print-ausgabe,16.1.2002)