Wien - Das Asbestproblem in den USA ist in den letzten Monaten zu einer Lawine angewachsen, von der außer dem Feuerfesthersteller RHI Refractories auch andere, namhafteste Firmen betroffen seien, sagte Vorstandsvorsitzender Helmut Draxler am Dienstag. Die US-Anwälte, von denen mehr als tausend mit Asbest-Sammelklagen beschäftigt sind, hätten damit eine eigene "Anwaltsindustrie" aufgebaut. Via Fernsehen würden Kläger "gekeilt", wobei es gar nicht mehr darum gehe, ob jemand Gesundheitsschäden durch Asbestkontakte reklamieren könne. Rund 80 Prozent der eingeklagten Entschädigungen würden dabei in die Taschen der Rechtsanwälte fließen, nur der geringste Teil komme den Betroffenen zugute.Klagesumme verdoppelt RHI-Vorstand Andreas Meier sagte, dass die Zahl der gegenüber RHI reklamierten Asbestopfer (pending claims) von rund 200.000 (Ende 2000) auf 400.000 dramatisch angewachsen sei. Gleichzeitig habe sich auch die durchschnittliche Klagssumme (settlements) auf über 3.000 Dollar verdoppelt. In ganz USA seien bereits eine Million Asbestklagen anhängig, die Gesamtansprüche seien von knapp 100 Mrd. Dollar inzwischen auf rund 270 Mrd. Dollar (303 Mrd. Euro/4,2 Billionen S) angewachsen. Seit den Terroranschlägen vom 11. September habe sich die Asbestproblematik drastisch verschärft, als die Versicherungen plötzlich nicht mehr bereit gewesen seien, Ansprüche auszuzahlen. Zusätzlich hätten die Anwälte in den USA an Aggressivität zugesetzt. "Damit hat die Asbestproblematik eine Dynamik bekommen, die nicht vorhersehbar war", sagte Draxler. Ende mit Schrecken Für RHI habe diese Entwicklung bedeutet, dass alle Unternehmensgewinne von den Sammelklagen abgesaugt worden wären. "Wir sind daher eindeutig zum Schluss gekommen, besser ein Ende mit Schrecken als uns in den nächsten Jahren nur mehr mit Sammelklagen und der US-Restrukturierung beschäftigen zu müssen", so Draxler. Gemeinsam mit dem Aufsichtsrat sei der RHI-Vorstand zum Schluss gekommen, das gesunde RHI-Geschäft in den übrigen Teilen der Welt zu retten und kein Geld mehr nach Amerika fließen zu lassen. "Um zu vermeiden, dass der Asbestvirus auf unser gesundes Geschäft überspringt", so Draxler. Die US-Beteiligungen seien somit als selbständige Unternehmen betrachtet worden. Als erstes hat Anfang Jänner die US-Tochter Narco reagiert, die RHI bereits 1992 im Paket über die deutsche Didier miterworben hat. Narco hat am 4. Jänner Gläubigerschutz unter Chapter 11 (eine Art Ausgleich) beantragt, was nach Expertenmeinung die einzige Möglichkeit sei, das Problem der Asbestklagen zu lösen. Die beiden weiteren Feuerfest-Gesellschaften, die RHI vom Mischkonzern GIT Ende 1999 erworben hat - Harbison Walker und A.P. Green - haben diesen Schritt bisher noch nicht getan. Alle drei Gesellschaften wurden jedoch mit Bilanzstichtag 31.12.2001 aus der RHI-Bilanz nach entsprechenden Wertberichtigungen entkonsolidiert und belasten diese ab heuer nicht mehr. (APA)