Unabhängige Richter sind dem Mächtigen ein Gräuel - ganz gleich, ob er nun in Klagenfurt oder in Rom sitzt. Doch anders als der Kärntner Provinzfürst Jörg Haider kann der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi mit seiner Mehrheit im nationalen Parlament Richtern und Staatsanwälten das Leben schwer und es sich selbst ein wenig leichter machen. Dabei existieren unabhängige Gerichte in einem Rechtsstaat zu zwei Zwecken: Sie sollen den Missbrauch politischer Macht verhindern, und sie sollen den Missbrauch wirtschaftlicher Macht einschränken. Beides missfällt Berlusconi.

Abhilfe will er mit so genannten Reformen schaffen: Die massive Milderung der Sanktionsbestimmungen für Bilanzfälschung nützt Berlusconi und seinen Freunden, gegen die ermittelt wird. Der italienischen Wirtschaft insgesamt nützt es weniger. Denn wer investiert schon gerne in Aktien, wenn er sich nicht auf die Bilanzen verlassen kann?

Auch die Änderung des Prozessrechts, wonach italienische Ermittler nur noch mühsam ausländische Akten herbeiziehen können, hilft Angeklagten aus der Berlusconi-Clique. Dem Justizsystem Italiens, das als unerträglich langsam bekannt ist, hilft es weniger - dabei ist es in der Tat reformbedürftig.

Doch Einsparungen im Haushalt allein sind keine Reform. Vor allem dann nicht, wenn den Kürzungen die Eskorten für Mafiaermittler zum Opfer fallen. Denen macht die Regierung Berlusconi auf diese Weise das Leben nicht nur schwer, sondern bringt es sogar in Gefahr. Wenn Italiens Richter und Staatsanwälte nun also zum offenen und kollektiven Protest übergehen, hat das nicht nur etwas mit Zivilcourage und Sorge um den Rechtsstaat zu tun - es geht um ihre Existenz.

Berlusconi geht es um etwas anderes: Er stellt den Eigennutz über das Gemeinwohl. Dieser Ministerpräsident ist eben im Hauptberuf immer noch Konzernchef.

(DER STANDARD, Printausgabe, 15.1.2002)