Netzpolitik
"Homepage weist Weg zu WTC-Anschlägen"
Internet-Paranoia zum 11. September - Berichte um islamische Website wurden zur Farce
Von vielen Verschwörungstheorien geht eine Faszination aus. Nicht umsonst fragen sich viele heutzutage noch immer, wer hinter der Ermordung des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedys steckt oder wer dieser Kettenraucher aus "Akte X" eigentlich wirklich ist.Ähnliches gilt für die Terrororganisation al-Qaida. Seitdem die Attentäter des 11. September rund um Osama Bin Laden aufgrund ihrer Kommunikationswege, die möglicherweise über Videos, Internet oder sogar Radio führen, noch weiter ins öffentliche Interesse gerutscht sind, herrscht eine Art Paranoia. Erst vor kurzem wurde die Seite eines gewissen Ould Slahi Thema medialen Interesses. Handelt es sich dabei um ein Kommunikationsorgan der al-Qaida ?
Material zum Bau von Bomben
Wie
Telepolis
berichtet, hatte die Schweizer Firma Netmon die Homepage des in Deutschland lebenden Mauritaniers Ould Slahi entdeckt. Dieser, verheiratet mit einer Schwester von Khalid al-Shanqiti, der als Vertrauter Bin Ladens gilt, war schon polizeibekannt. Als der Algerier Ahmed Ressam am 14. Dezember 1999 aufgrund des Fundes von Material zum Bau von Detonationskörpern in seinem Kofferaum bei der Einreise von Kanada in die USA festgenommen wurde, fiel auch der Name Slahis.
Geheime Nachrichten?
Die besagte Homepage inklusive Guestbook war ab Anfang 2000 de facto unauffindbar - es sei denn, man wusste genau, wo sie sich befinde, so Guido Rudolphi von Netmon. Das Schweizer Unternehmen analysierte laut eigenen Angaben über 2300 Datensätze und registrierte einen Kommunikationsanstieg, der im September wieder abnahm. Lediglich am 23. September wurde wieder eine mit einem Passwort geschützte Nachricht ins Guestbook eingetragen. Der Nachgeschmack blieb da: handelte es sich um geheime Nachrichten?
Medienrummel....
Genau hier begann die Farce: Die Geschichte bekam eine mediale Eigendynamik. Die
Netzeitung
"ergänzte": "Internetseite belastet WTC-Attentäter". Möglicherweise habe das FBI "ein Kommunikationssystem der Attentäter vom 11. September aufgedeckt". Slahis normales Lycos-Guestbook wurde in diesem Artikel zum geheimen Treffpunkt der WTC-Attentäter. Bald darauf titelte
ZDNet.de
:"Homepage weist Weg zu WTC-Anschlägen".
Links
Doch auch die Entdeckungen der Schweizer Netmon schienen sich im Rahmen zu halten. Die
Homepage
Slahis enthielt neben Liedern des Koran, die allergrößter Wahrscheinlichkeit nur von einer anderen Website gelinkt wurden, lediglich das Guestbook und einige Links. Ersteres war äußerst karg besucht: lediglich 16 Einträge sind dort zu sehen, davon keinen einzigen aus dem Jahre 2001. Ein einziger stammt aus dem Jahr 2000: ob mit "very nice and rich page" jedoch wirklich eine verschlüsselte Botschaft gemeint ist, ist zu bezweifeln.
"Dschihad-Anhänger" Slahi
Doch der Medienrummel hielt unvermindert an. Ein Schweizer Magazin sah darin die "Schweizer Cyber-Spur", ausgehend von "Dschihad-Anhänger" Slahi, der ein "mutmasslicher Helfer von Osama Bin Laden" sei. Allerdings habe nicht Netmon die Seite entdeckt, sondern ein Mitarbeiter des Providers, auf dem die Site gehostet ist. Diese Homepage wäre übrigens keineswegs unauffindbar - im Gegenteil, mittels Suchmaschine könne man sie in Sekundenschnelle erreichen.
Bleibt nur die Frage, wieso eine leicht erreichbare Homepage mit durchschnittlichem Guestbook zum vermeintlichen Kommunikationsorgan der al-Qaida mutierte. Vielleicht liegt das ja an der Faszination.(eru)