Deutschland
CDU-Spitzenpolitiker sagen Stoiber volle Unterstützung zu
FDP sieht neue Chance in der Mitte - Grünen-Kritik an Stoiber
Frankfurt - Führende CDU-Politiker haben dem
CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber volle Unterstützung im kommenden
Bundestagswahlkampf zugesagt und Angela Merkel für ihren Verzicht
gedankt. Unmittelbar nach der Aufgabe der CDU-Chefin im
Kandidatenrennen erklärte der hessische Ministerpräsident Roland Koch
Freitag Abend, es sei "gut, dass die Entscheidung heute getroffen
worden ist". Bundeskanzler Gerhard Schröder werde sich jetzt "warm
anziehen müssen". Koch würdigte vor allem, "dass die CDU die Kraft
hatte, diese Entscheidung in einer schwierigen Situation einstimmig
zu treffen". Merkel als Vorsitzende und Stoiber als Kanzlerkandidat
könnten sich auf die geschlossene Unterstützung der CDU verlassen.
Merkel könne jetzt "unbeschädigt Parteivorsitzende der CDU bleiben". Nach Meinung der SPD ist mit dem Rückzug Merkels aus dem
Kandidatenrennen um die Kanzlerkandidatur die politische Erneuerung
der CDU gescheitert. "Edmund Stoiber ist seit heute Vorsitzender der
CDSU, Angela Merkel wird Abteilungsleiterin CDU", erklärte
SPD-Generalsekretär Franz Müntefering. Die CDU habe es nicht
geschafft, sich nach dem Rückzug ihres ehemaligen Vorsitzenden Helmut
Kohl neu zu positionieren und kein neues Selbstverständnis gefunden.
Stoiber sei ein "Spalter, der unserem Land nicht gut tut", sagte
Müntefering.
"Schwere Niederlage für CDU
SPD-Fraktionschef Peter Struck nannte die Absage Merkels "eine
schwere Niederlage für die CDU". Was die CSU gemacht habe, nenne man
in der Wirtschaft eine feindliche Übernahme, sagte der SPD-Politiker
zu Beginn eines Treffens der Fraktionsvorstände von SPD und Grünen in
Wörlitz. Die CDU sei "zum Anhängsel der CSU" geworden. Der
rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck sprach im
Südwestrundfunk von einer "Politintrige des Jahrhunderts", der Merkel
zum Opfer gefallen sei.
Grünen-Fraktionschef Rezzo Schlauch sagte, Merkel sei als
Parteivorsitzende demontiert worden. Die Entscheidung über den
Kanzlerkandidaten der Union sei kein "Glanzstück politischer Kultur"
gewesen. Stoiber müsse man ernst nehmen. Er habe jedoch keinen
Zweifel, dass Schröder und Außenminister Joschka Fischer die Wahl
gewinnen würden. Fraktionschefin Kerstin Müller erklärte, die
Entscheidung habe gezeigt, das die CDU noch nicht reif für eine Frau
als Kandidatin sei.
Die bayrischen Grünen haben Stoiber die charakterliche Eignung zum
Bundeskanzler abgesprochen. Der CSU-Vorsitzende habe die CDU-Chefin
Angela Merkel mit "beispielloser Rücksichtslosigkeit" an die Wand
gedrückt. "Brutales Niedermachen" aber wäre "ein verheerender
Charakterzug" für einen Kanzler, sagten die Grünen-Landesvorsitzenden
Jerzy Montag und Margarete Bause am Freitag in München.
Mit der Festlegung der Union auf den bayrischen
Ministerpräsidenten Stoiber kommt die FDP nach eigener Einschätzung
der Verwirklichung ihres Wahlziels 18 Prozent nun ein gutes Stück
näher. Westerwelle sagte, die Union gehe "mit dem bekennenden
Konservativen Stoiber nach rechts". Damit werde die Mitte frei, die
von SPD und Grünen inzwischen "zu guten Teilen geräumt" worden sei.
"Wenn die Mitte frei wird, ist das eine große Chance für die FDP,"
sagte der 40-jährige Parteichef. Denn die Bundestagswahl am 22.
September werde in der Mitte entschieden.
Davor hatte Westerwelle klargemacht, dass die Liberalen genauso gut
mit einer Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Koalition mit der
Union hätte zusammenarbeiten können. Sowohl Merkel als auch Stoiber
würden der FDP genügend Spielraum zur politischen Entfaltung lassen.
Westerwelle unterstrich aber auch, dass sich die FDP vor der Wahl
nicht auf einen künftigen Koalitionspartner, sondern nur auf die
eigenen Ziele festlegen werde. Es gehe um die Ablösung der Grünen,
die sich überlebt hätten.
Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Michael
Rogowski, hat das Ende der Debatte über den Kanzlerkandidaten der
Union begrüßt. Es sei gut, dass die Personalentscheidung endlich
gefallen sei, sagte er am Freitag in Berlin auf Anfrage. "Jetzt
müssen die Sachthemen nach vorne gebracht und die
Wirtschaftskompetenz der Union konkretisiert werden."(APA/AP)