Hope Sandoval & the Warm Inventions: "Bavarian Fruit Bread" (BMG/Sanctuary Records Group 2001) Anspieltipps: "Drop", "Around My Smile"

Coverfoto: BMG/Sanctuary Records Group
Jürgen: Warum hat sich bisher eigentlich niemand um die gekümmert? Mazzy Star waren doch ganz groß in den Neunzigern. [Anmerkung am Rande: Hope Sandoval war Sängerin der Band Mazzy Star; Vielleicht ist sie's sogar noch - so genau weiß das keiner.]

Hermann: Eine hymnische Kritik in der SPEX ist doch nicht nichts, oder? Groß waren sie jedenfalls vielleicht in Indie-Kreisen, als es das noch gab, ansonsten sind diese spärlich instrumentierten und depressiven Songs eher nicht Formatradio-, MTV- oder Stadion-kompatibel. Sie teilen leider das Schicksal mit meinem Gefühl nach ähnlichen Zeitlupenbands wie Codeine, die keiner mehr kennt, oder Arab Strap, die grade mal die Vorgruppe für die Tindersticks machen durften. Obwohl - letztere widerlegen ja eigentlich meine Theorie.

Jürgen: Naja, hymnisch ... außerdem war die ja nur hinten bei den Kurz-Rezensionen und nicht im "offiziellen Teil".

Ich finde schon, dass Mazzy Star ein großes Ding waren: keine Studenten-Party, wo sie nicht noch so gegen drei Uhr in der Früh aufgelegt worden wären. Da kann man so schön wegdriften dazu, hat mal wer gesagt - besonders wenn man gerade irgendeine Droge durch den Körper laufen lässt. - Passt irgendwie zu "Around My Smile", meinem Lieblingsstück auf der neuen CD: Klingt, als würde sie mit geöffneten Pulsadern in der Badewanne liegen und langsam ausbluten.

Hermann: "...an Schönheit kaum zu überbieten. Große Platte." Soviel zum Hymnischen. Dass es für Hope Sandoval nur zu einer Kurzrezension gereicht hat, wundert mich gar nicht in Zeiten des Abfeierns diverser Früh-80er-Jahre-Zitate, insofern ist die Platte tatsächlich unzeitgemäß. Am besten finde ich die Momente, in denen sich Hope Sandoval selbst zitiert, die Songs "Drop" und Nummer 9 (weiß nicht, ob das der namenlose oder "Bavarian Fruit Bread" ist). Ich geb es zu, die hätten bei Mazzy Star auch nicht anders geklungen, aber ich mag diese depressiven Opern. Generell ist die Rhythmussektion noch weniger präsent als bei Mazzy Star, die Songs, die nur von der akustischen Gitarre begleitet werden, klingen dann doch schnell etwas tranig. Aber die haben möglicherweise noch Entwicklungspotenzial. Die Gitarren-Akkorde in "On the Low" dagegen finde ich sehr gewöhnungsbedürftig.

Jürgen: ... woran mich die erinnern, kann ich allerdings auch nicht sagen. Dafür haben sie in "Around My Smile" eindeutig was von Element of Crime. - Überhaupt finde ich, dass die Platte viel europäischer klingt als Mazzy Star. Ursprünglich hatte ich die immer für Amerikaner gehalten - Dave Robacks Blues-Gitarre, dazu die Mundharmonika ... Jetzt ist ja alles Glockenspiel und Akustik-Gitarre. Sehr hippiesk, finde ich (und das nicht nur wegen der Nummer 2 auf der CD, "Suzanne").

Hermann: Amerikanisch stimmt irgendwie. Auf der letzten Mazzy Star-Platte "Among My Swan" gab es zum Beispiel deutliche Country-Anleihen. Dass sie jetzt europäischer klingen, liegt vielleicht an Colm O`Ciosoig, dem Ex-Schlagzeuger von My Bloody Valentine, die waren ja nicht anders zu denken als britisch. (Ob der sich den wirklich dämlichen Namen "Warm Inventions" ausgedacht hat?). Zu "hippiesk" fallen mir immer The Mamas & the Papas ein, das ist wohl die falsche Fährte.

Jürgen: "Hippiesk" auf The Mamas & the Papas zu beschränken - das wäre allerdings eine falsche Fährte ... ich denke da eher an Cohen, Donovan und den ganzen Neo-Mittelalter-Folk von damals.

Apropos beschränken: wir reden hier dauernd über Mazzy Star - das macht mir ein wenig Bauchweh. Immerhin ist es Hope Sandovals Soloplatte, und die will sie sicher auch so wahrgenommen wissen (was uns andererseits auch wieder völlig wurscht sein kann).

Warum Mazzy Star sich aufgelöst haben - falls sie es offiziell überhaupt sind, so ausdrücklich hab ich das nämlich nirgendwo gefunden - weiß ich übrigens nicht. Streit war's wohl keiner - immerhin lässt Hope Sandoval Dave Roback in den Credits ganz artig grüßen. Weißt du da inzwischen mehr?

Hermann: Bilde mir ein, vom Band-Ende gelesen zu haben, keine Ahnung mehr wo. Falls sie aber nur Pause machen, kann ich meine Trauerphase gleich wieder beenden. (Wir sprechen übrigens schon wieder von der Vergangenheit.)

Dass ihre Solo-Platte zuallererst an Mazzy Star gemessen wird, muss Hope Sandoval klar gewesen sein. Dazu hat sie sich auch zu wenig weit wegbewegt vom Sound ihrer alten Band. Sie leidet immer noch so schön herzzerreißend in ihren Liedern, und das Artwork der Platte hat sich im Vergleich kaum verändert (dunkle Farben, verwaschene Schwarzweißfotos). Ich mochte und mag ja diese Art der Selbstinszenierung als Band für unerträglichen Liebeskummer und dunkle, kalte Wintertage. Hope Sandoval hat vielleicht nicht das Rad neu erfunden, aber tolle Songs schreiben kann sie allemal.

Jürgen: Das ist ja fast schon ein Schlusswort gewesen. Aber zwei Fragen sind doch noch zu beantworten.
1) Ist diese Platte ein Kaufempfehlung? und
2) Ist diese Platte ein Kaufempfehlung für Mazzy Star-Fans?

Hermann: Wer traurige, ruhige Lieder mag, ist bei Hope Sandoval nach wie vor gut aufgehoben, und Mazzy Star-Verehrer werden sowieso nach der ersten Nummer glücklich sein. Außerdem kann es keine falsche Entscheidung sein, diese Frau reich zu machen.