Das Gruseln hat im US-Kino wieder Saison: Mit "The Others" kommt nun ein Film ins Kino, der zwar alle Versatzstücke der Gothic Novel bemüht, aber trotzdem nicht mehr als vordergründige Schreckmomente erzeugt.

Von Isabella Reicher


Wien - Einsame alte Häuser mit vollgeräumten Dachböden, knarrenden Dielen und endlosen Zimmerfluchten waren schon immer gut, um ihren Bewohnern Überraschungen zu bereiten. Solche Gemäuer haben Geschichte und somit Eigenleben, und sie gestatten nur bedingt, sich in ihnen häuslich einzurichten.

Foto: Constantin

Auch das Anwesen auf der Insel Jersey, das die junge Grace (Nicole Kidman) anno 1945, kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs, mit ihren beiden Kindern bewohnt, wird von dichtem (Kunst-)Nebel eingehüllt. Im Inneren des Gebäudes muss es dunkel bleiben - die Kinder leiden an einer Lichtallergie, weshalb nach einem strengen Reglement alle Fenster hinter schweren Vorhängen verschwinden und jede Tür verschlossen werden muss, bevor man die nächste öffnet.

Als wäre das noch nicht genug Belastung, ist auch noch Graces Mann im Krieg verschollen, und als eines Tages wie aus dem Nichts drei neue Dienstboten auftauchen, lässt deren heimliches Tun schnell Zweifel an ihren guten Absichten aufkommen.

Foto: Constantin

Hollywoods Hang zum Übersinnlichen, der vor drei Jahren mit The Sixth Sense einen einsamen Höhepunkt erlebte und sich anschließend vor allem in einer Reihe von Begegnungen mit dem teuflischen Höllenfürsten und seinen klerikalen Widersachern fortsetzte, erfährt mit The Others eine neue, rückwärtsgewandte Wendung zur Gothic Novel:

Die Geschichte und der Schauplatz erinnern an Jack Claytons The Innocents (1961). Dort geriet einst Deborah Kerr, in einer Adaption von Henry James' Roman The Turn of The Screw, als Gouvernante auf ein Schloss und der Film zu einem der besten, weil dezentesten Gruselschocker ever.

Foto: Constantin

Auch The Others, inszeniert vom bis dato in Spanien arbeitenden Regisseur Alejandro Amenábar und produziert von Tom Cruise - Letzterer ist bald in der Hauptrolle von Vanilla Sky, dem Remake von Amenábars Abre los ojos, zu sehen -, entwickelt sich schnell zur Gespenstergeschichte:

Die kleine Anne (Alakina Mann) wird zunächst für ihre "Lügen" noch bestraft, bald darauf macht jedoch auch ihre Mutter die Bekanntschaft der geheimnisvollen, unsichtbaren Mitbewohner, die Möbel rücken, Türen öffnen oder Klavier spielen können.

Eyes Wide Open

Die Konfrontation mit dem Unheimlichen verlangt nach besonderem Ausdruck. Dabei tritt allerdings ein seltsamer Effekt der Verschiebung ein, weil es so scheint, als müsse dem Nichtsichtbaren mit besonderer Sichtbarmachung der inneren Befindlichkeit seiner Kontrahenten begegnet werden. Nicole Kidman setzt demgemäß auf expressives Spiel: nervöses Genestel, weit aufgerissene Augen, fahrige Bewegungen und schriller Tonfall. Alles verweist hier, leider überdeutlich, auf größte Anspannung und Getriebenheit. Schon mit der ersten Szene, die Kidman quasi als Grace-Kelly-Lookalike einführt, werden die women in distress, die Leinwandheldinnen der 40er- und 50er-Jahre als Vorbild herbeizitiert: Das bleibt jedoch vor allem bemühte Maskerade.

Foto: Constantin

Der Regisseur setzt zusätzlich auf extravagante Kamerafahrten hie und da, auf Close-ups seiner Hauptdarstellerin oder auf bezeichnende Untersichten. Der aufgeblasene Score darf den einen oder anderen Überraschungsgruseleffekt akzentuieren. Unheimliche Atmosphäre erzeugt das keine, eher schon unfreiwillige Komik.

Insofern erinnert The Others, der sich in den USA vergangenen Sommer zum Kassenschlager entwickelte, über weite Strecken nur an eine gediegene HBO-Fernsehproduktion. Und am Ende findet sich für die vorhergehenden Ereignisse eine Erklärung, die alles zuvor gesehene noch einmal fundamental umdeuten soll, hier aber bloß wie ein aufgesetzte Pointe wirkt.


theothers-derfilm.de -- miramax/theothers -- losotros.com

(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9. 1. 2002)