Damit es nicht verlorengeht . . ." In dieser Reihe des Verlages Böhlau sind schon viele bemerkenswerte Bücher erschienen, die das Wissen über das Alltagsleben unserer Väter- und Großvätergeneration erhalten sollen. Die Erinnerungen der 1915 im Lungau geborenen Bergbäuerin Maria Schuster treffen das Motto der Reihe exakt. In ihrem zweiten Buch - nach "Auf der Schattseite", ebenfalls bei Böhlau - führt Schuster in das Alltagsleben eines Ramingsteiner Bergbauernhofes in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein. Die Berichte über Arbeit, Brauchtum, soziales Milieu und Lebensart zeichnen eine fremde Welt - vor Autobahn, Massenkommunikationsmitteln und kreativer Freizeitgestaltung. Ungewohnt aus der Sicht urbaner Menschen, für die Jahreszeiten vielfach nur noch in Modetrends und nicht durch eigenes Erleben erfahrbar sind, allein schon, dass das Bauernjahr den Orientierungsfaden durch das Buch darstellt. Reportagen über Reisen in ferne Länder könnten kaum exotischer sein. Es ist aber "nur" der Lungau vor 70 Jahren, wo jeder seinen Löffel am Tischtuch abwischt, nach dem Schlachten Schweinsdärme im eiskalten Bach gereinigt werden und Kinder mit Tischgebet und Rosenkranz aufwachsen. In ihren exakten Schilderungen gelingt es der Autorin, die aus ihrem Erfahrungsschatz als Bauerntochter, Magd und Sennerin schöpft, die Ebene der nüchternen Volkskunde zu verlassen und primär selbst Erlebtes zu erzählen, ohne sich zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen. Das Leben war hart und karg. Maria Schuster hat sich die Erinnerung daran bewahrt und kommt nie in Versuchung, Kinderarbeit, Armut und Ausbeutung von damals romantisch zu verklären. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8. 1. 2002)