Eineinhalb Stunden lang dauerte sein Treffen mit dem Staatspräsidenten. Mindestens sechs Monate lang will Silvio Berlusconi Außenminister bleiben. Staatschef Carlo Azeglio Ciampi forderte am Sonntagabend vom soeben vereidigten interimistischen Außenamtschef unmissverständlich die absolute Kontinuität der Außenpolitik: Im Verhältnis zur EU dürfe es keinerlei Zögern oder gar Ungereimtheiten geben. Der Staatspräsident werde die Entwicklungen mit größter Aufmerksamkeit beobachten. Ciampi will also seine oberste Kontrollfunktion ausüben.

Berlusconi gab sich nach dem Treffen am Sonntagabend denn auch vorderhand europäisch: Mehrfach bekräftigte er seine feste europäische Grundhaltung. "Europa ist mein Ideal, eine Notwendigkeit und mein fester Wille", deklamierte ein genervt wirkender Premier vor den Journalisten. Nur: "Für Europa zu arbeiten bedeutet nicht, alles zu akzeptieren." Im Corriere della Sera vom Montag setzte er dann nach: Es gehe nicht an, dass die Regierung "jeden Tag eine Prüfung in Europäismus machen muss".

Kaum war der Festakt vorbei, ging in der Regierungskoalition das Gerangel um die künftige Berlusconi-Nachfolge im Außenamt weiter: Der Minister für die Beziehungen zum Parlament, Carlo Giovanardi, forderte eine schnelle Neuernennung. Als Anwärter gelten der Präsident der Abgeordnetenkammer, Pierferdinando Casini vom Christdemokratischen Zentrum, Alleanza-Nazionale-Chef Gianfranco Fini oder der Minister für den Öffentlichen Dienst, Franco Frattini.

Allgemein wird aber angenommen, dass in Rom in den nächsten Wochen eine größere Kabinettsumbildung ansteht. Nach den immer schlechter werdenden Umfragewerten steht Berlusconi ohnehin unter Zugzwang. Zumal auch mit Fiat-Patriarch Gianni Agnelli ein mächtiger Repräsentant der Industrie der Regierung europapolitische Mahnungen zukommen ließ.

Seine, dem eigenen Plan nach sehr lange Amtszeit als Übergangsaußenminister rechtfertigt Berlusconi im Corriere damit, dass er notwendige Reformen im Außenamt und in der Diplomatie durchführen wolle. So will er die Arbeit der Botschaften und Konsulate im Ausland künftig stärker an den wirtschaftlichen Interessen Italiens ausrichten. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 8.1.2002)