Skisport
Silvano Beltrametti erstmals seit Unfall an der Öffentlichkeit
Die nächsten Monate seien für den Abfahrer das "härteste Trainingslager"
Nottwil/Schweiz - Gefasst, ruhig, eigentlich wie immer,
trat Silvano Beltrametti in Nottwil 26 Tage nach seinem schweren
Sturz an die Öffentlichkeit und äußerte sich mit ergreifender
Sachlichkeit zu seinem Schicksal: "Der liebe Gott hat es so gewollt,
dass ich diese Aufgabe kriege. Ich akzeptiere sie", erklärte der
22-jährige Schweizer vor über 60 Medienleuten, die sich im
Paraplegiker-Zentrum Nottwil versammelt hatten.Staunende Journalisten
Als der Skirennfahrer von seinem Freund und Manager Giusep Fry im
Rollstuhl in die Aula geschoben wurde, erlebten die Journalisten,
Reporter und Fotografen das Gleiche, was zuvor schon seine
Familienangehörigen und Freunde beeindruckt hatte: Silvano
Beltrametti sprach mit einer Souveränität und Abgeklärtheit über
seinen Unfall und die Folgen, als ob es sich um die
selbstverständlichste Sache der Welt handeln würde. "Das hätte ich so
kurze Zeit nach dem Unfall noch nicht gekonnt", staunte selbst der
mehrfache Schweizer Behindertensportler des Jahres Heinz Frei.
Träume, Ziele und Visionen in nichts aufgelöst
Nachdem Chefarzt Dr. Dieter Michel und der Rückenchirurg Dr.
Patrick Moulin, die Beltrametti fünfeinhalb Stunden operiert hatten,
die medizinischen und therapeutischen Aspekte nochmals erläutert
hatten, übernahm Beltrametti das Wort. "Wenn ich euch alle sehe,
weckt es Erinnerungen in mir", sagte Beltrametti, der am Vorabend die
Intensivstation hatte verlassen können. "24 Stunden am Tag habe ich
für den Skisport gelebt. Diese Zeit ist jetzt vorbei. Innerhalb einer
Sekunde haben sich alle Träume, Ziele und Visionen in nichts
aufgelöst. Drei Wochen mit Hochs und Tiefs liegen hinter mir. Ich bin
daran, alles zu verarbeiten. Wichtig ist, dass ich mir neue Ziele
setze."
Beltrametti will seiner Kämpfer-Natur treu bleiben und mit Hilfe
seiner Familie und seinen Freunden das neue Leben meistern: "Ich habe
das beste Umfeld, das ich mir wünschen kann." Er dankte seinen
Angehörigen, Swiss-Ski-Arzt Dr. Thierry Maitre und Cheftrainer Dieter
Bartsch, die in Val d'Isere Erste Hilfe geleistet hatten, den Ärzten
und Betreuern im Paraplegiker-Zentrum, aber auch jenen Tausenden von
Leuten, die ihm mit Briefen, E-Mails und Geschenken ihre Anteilnahme
gezeigt hatten. "Das hat mir Mut gegeben", meinte er.
Schicksal
Die Frage nach dem Warum hat sich Beltrametti selbstverständlich
auch gestellt. Den Kantenfehler mit dem linken Ski kann er im Detail
erklären. In 500 Abfahrten passiert ihm ein solcher Fehler ein Mal.
"Das ist Schicksal", sagt Beltrametti. Über allfällige Mängel in den
Sicherheitsvorkehrungen wollte er sich nicht äußern: "Darüber mache
ich mir bewusst keine Gedanken."
Vorläufig hält Beltrametti bewusst etwas Distanz zum
Abfahrtsrennsport: "Mit dem Herzen bin ich noch bei der Mannschaft.
Aber die Rennen sehe ich mir nicht an. Das würde noch zu großen
Schmerz verursachen - das will ich mir nicht antun." Slaloms und
Riesentorläufe hat er sich mitunter schon angesehen.
Ein Blick in die Zukunft
"Ich möchte einfach ein selbständiges und schönes Leben führen",
meinte der Schweizer bezüglich seiner Zukunftshoffnungen. Im
Behindertensport sieht er sich weniger: "Ich glaube kaum, dass ich da
eine Rolle spielen werde. Das sage ich jetzt, später werde ich
vielleicht anders reden." Beltrametti zeigte sich dankbar, dass die
Folgen des Unfalls nicht schlimmer sind: "Das Gedächtnis
funktioniert, Kopf und Herz sind unverändert geblieben. Ich kann
reden, sehen, hören."
Die kommenden vier bis sechs Monate im Paraplegiker-Zentrum
bezeichnete er als "hartes Trainingslager, das härteste, dass ich je
hatte." Er werde immer der gleiche Silvano bleiben, nur werde er nie
mehr so schnell über die Abfahrtspisten fahren und gehen können. "Wir
packen´s schon." Mit diesen Worten beschloss er die Pressekonferenz.
(APA/SIZ)