Neu Delhi - Der indische VerteidigungsministerGeorge Fernandes sieht trotz der Spannungen mit Pakistan imKaschmir-Konflikt noch immer eine Chance für eine diplomatischeLösung. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reutersbezeichnete Fernandes am Mittwoch die Situation an derDemarkationslinie als gespannt. "Aber auf anderen Ebenen gibt esBemühungen, die Situation durch diplomatische Intervention zuentschärfen", sagte Fernandes. Ausländische Regierungen hätten sichhinter die indische Forderung gestellt, dass Pakistan den"anti-indischen Militanten" auf seinem Territorium das Handwerk legenmüsse. Indien und das Nachbarland Pakistan haben im wieder aufgeflammtenKonflikt um das geteilte Himalaya-Gebiet Kaschmir den umfangreichstenTruppenaufmarsch seit 15 Jahren vollzogen. Indien wirft Pakistan vor,nicht scharf genug gegen die Separatisten-Organisationen vorzugehen,die seit Jahren versuchen, durch Überfälle und Anschläge die indischePräsenz im Bundesstaat Jammu und Kaschmir zu destabilisieren. Nachdem Anschlag auf das indische Parlament am 13. Dezember, für denIndien ebenfalls radikale Moslems aus Pakistan verantwortlich macht,hatte Indien den diplomatischen und militärischen Druck auf Pakistanverschärft. "Alles ist möglich" Mit Blick auf den bevorstehenden Regionalgipfel im nepalesischenKathmandu sagte Fernandes, es sei nicht ausgeschlossen, dass es zueinem Gespräch am Rande des Treffens zwischen IndiensMinisterpräsident Atal Behari Vajpayee und Pakistans Präsident PervezMusharraf kommen werde. "Alles ist möglich." Auf die Frage, wie ernst es Indien mit der Androhung einermilitärischen Konfrontation sei, sollten die diplomatischenBemühungen scheitern, sagte der Minister: "Das wird die letzte Optionsein." Die diplomatischen Bemühungen würden von Indien dann alsgescheitert angesehen werden, "wenn all diejenigen, die Pakistan zuüberzeugen versuchen, uns erklären, dass sie nichts mehr tun können,dass auch ihre Geduld erschöpft sei - das ist der Zeitpunkt." Telefonate Bushs Der amerikanische Präsident George W. Bush hatte mit Vajpayee undMusharraf telefoniert und dabei Pakistan aufgefordert, entschlossengegen die radikal-islamischen Extremisten vorzugehen. Von Freitag anwill der britische Premier Tony Blair versuchen, in Neu-Delhi undIslamabad zu vermitteln. Zur militärischen Lage sagte Fernandes, der Truppenaufmarsch aufindischer Seite sei abgeschlossen, aber die Truppen befänden sichnoch nicht unmittelbar an der Grenze, sie seien somit "noch nicht inSchlachtposition". Sie nach vorn zu bringen, würde deshalb nocheinige Zeit dauern. Keine Angaben machte der Minister zur Frage, obIndien an der Kaschmir-Front auch bereits seine - im Prinzipatomwaffenfähigen - "Prithvi"- Mittelstrecken-Raketen stationierthat. Auch Pakistan verfügt über atomare Waffen. Allerdings hattenbeide Länder noch am Dienstag ihren Atomwaffenvertrag erneuert, derAngriffe auf atomare Anlagen des jeweiligen Gegners ausschließt. Pakistan habe bisher nicht genug getan, um die militanten Moslemsbei ihren "grenzüberschreitenden Handlungen" zu stoppen, sagteFernandes. Pakistan hatte zuvor mitgeteilt, die Führer zweierradikaler Organisationen verhaftet zu haben, außerdem seienverschiedene ihrer Büros geschlossen und ihre Anlagen konfisziertworden. Eine direkte Unterstützung der Separatisten imKaschmir-Gebiet hat Pakistan immer bestritten. (APA/Reuters)