Lifestyle
Die Blasen der Witwe Clicquot
"Brüder, kommt schnell, ich trinke Sterne": Was der Mönch Dom Perignon mit der Witwe Clicquot zu tun hatte.
Von allen Lärmbräuchen zu Neujahr ist
Sektkorkenknallen der prickelndste. Wie aber wurde aus dem bei
Winzern verhassten Zufallsprodukt das edelste Getränk der Welt? "Ich
will Champagner-Wein. Und recht moussirend soll er sein", verlangt
der Student in Goethes "Faust". "Wie lieb und luftig perlt die Blase
der Witwe Klicko in dem Glase", lobt etwas respektloser Wilhelm Busch
in der "Frommen Helene". Schaumwein gab es schon in der Antike. Winzer fürchteten die
unbeabsichtigte Nachgärung des "Teufelsweins" in der Flasche. Der
Mönch Dom Perignon "domestizierte" den "Pfropfensprenger" und die
"Witwe Klicko" verfeinerte ihn.
Die Korkabsätze einer spanischen Äbtissin machten den
entscheidenden Schritt in der Champagnerherstellung. Ihnen soll der
Mönch und Kellermeister von Saint Pierre bei Hautvilliers, Dom
Perignon, die Idee verdankt haben, wie man moussierenden Wein in der
Flasche behielt.
Die gebräuchlichen, mit Hanf umwickelten und in Olivenöl getränkten
Holzstückchen knallten jeweils reihenweise im Frühling aus den
Flaschen, wenn beim Wein eine zweite Gärung einsetzte. Dom Perignon
ersetzte sie durch Korken, die er mit Schnur sicherte und ließ
stärkere Flaschen herstellen, die die bis zu fünf bar Druck
aushielten.
Dom Perignon, von 1658 bis 1705 Kellermeister in der Abtei von
Hautvilliers, war blind und vielleicht deshalb mit außerordentlich
verfeinertem Geruchs- und Geschmackssinn gesegnet. Er entwickelte die
Kunst, verschiedene Jahrgangsweine zur speziellen cuvee zu mischen,
zur Perfektion. Grundlage waren Pinot Noir-Trauben, versetzt mit
etwas Pinot Meunier und Chardonnay.
Wegen der früh einsetzenden Kühle in der Champagne, dem
nördlichsten Weinbaugebiet Frankreichs, war eine Nachgärung
übriggebliebener Hefe im Frühling in den Flaschen weit verbreitet.
Dom Perignon zähmte und verfeinerte sie und erfand das Getränk, das
am Hofe Ludwigs des XIV bald unentbehrlich wurde. "Brüder, kommt
schnell, ich trinke Sterne", soll der Dom nach der ersten Verkostung
ausgerufen haben.
Die "methode champenoise" ist aufwendig. Nach erster Gärung und
Filterung, wird der Wein im Frühjahr mit Reserveweinen aus
vergangenen Jahren gemischt - außer bei ganz guten, den
"millesime"-Jahrgängen. Danach wird Hefe und Zucker zugesetzt und die
zweite Gärung in der Flasche gefördert.
Damit ist der Champagner aber noch nicht das Getränk, das wir
kennen. Er ist mit vielen Ablagerungen versehen und trüb, weshalb man
ihn zu Beginn noch in matten Gläsern servierte. Hier trat die "Witwe
Klicko" auf den Plan.
Nicole Barbe Ponsardin verlor 1805 mit erst 27 Jahren ihren Mann
Francois Clicquot und übernahm tapfer dessen Champagnerfirma. Sie
kaufte Parzellen in bester Lage dazu und erfand - angeblich, indem
sie ihren Küchentisch durchbohrte - den Rütteltisch, der die Klärung
des trüben Safts ermöglichte.
Die Flaschen wurden erst waagrecht gelagert, dann mit dem Hals
nach unten immer steiler in durchlöcherte Bretter gesteckt. Bei jeder
Änderung des Winkels wurden die Flaschen mit einem Ruck leicht
gedreht, so dass sich die Ablagerungen von den Wänden lösten und
langsam Richtung Korken wanderten. Schließlich wurde der so
entstandene Pfropfen abgekühlt und beim "degorgement", einem
blitzartig erfolgenden Korkenwechsel, entfernt.
Neben Erfindungsgabe besaß Nicole Clicquot einen herausragenden
Geschäftssinn. Sie sprach persönlich an allen Höfen Europas vor,
machte ihr Produkt als Inbegriff des französischen Savoir-vivre
schmackhaft und exportierte selbst in die USA. Seit 1972 werden in
Frankreich, seit 1985 auch in der Schweiz, besonders initiative
Geschäftsfrauen mit dem "Clicquot-Preis" geehrt.(apa)